Urteil Nº 4A_543/2018 Bundesgericht, 28-05-2019

Judgement Number4A_543/2018
Date28 mai 2019
Subject MatterVertragsrecht* Forderung; Anwendbarkeit des CISG
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_543/2018
Urteil vom 28. Mai 2019
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Klett, Hohl, Niquille, May Canellas,
Gerichtsschreiber Hug.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch die Advokaten Prof. Dr. Pascal Grolimund und Dr. Nicolas Mosimann,
Beschwerdeführerin,
gegen
1. B.________ d.d.,
2. B.________ (Schweiz) AG,
beide vertreten durch die Rechtsanwälte Daniel Eisele und Tamir Livschitz,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Forderung; Anwendbarkeit des CISG,
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
vom 24. August 2018 (ZB.2017.20).
Sachverhalt:
A.
Die A.________ (Käuferin, Klägerin, Beschwerdeführerin) ist eine selbständige öffentlich-rechtliche Anstalt mit Sitz in Basel, die bei der B.________ d.d. (Verkäuferin/Beklagte/Beschwerdegegnerin 1) mit Sitz in U.________, Slowenien und ihrer schweizerischen Tochtergesellschaft der B.________ (Schweiz) AG (Verkäuferin/Beklagte/ Beschwerdegegnerin 2) während Jahren bis letztmals am 8. Dezember 2009 diverse elektronische Drehstromzähler bestellte bzw. einkaufte.
Am 29. August 2012 informierte die Verkäuferin 1 die Käuferin per E-Mail über die Möglichkeit von Haarbildungen und daraus resultierenden Messfehlern (sog. "Whiskers"-Problem) bei einem gewissen Typ der Drehstromzähler.
Am 11. Juli 2013 erklärte die Käuferin gegenüber den Verkäuferinnen, sie erachte sämtliche Verträge betreffend Lieferung von Stromzählern zufolge Irrtums für unverbindlich und forderte sie auf, den Kaufpreis zuzüglich Zinsen gegen Herausgabe der Stromzähler rückzuerstatten. Die Verkäuferinnen kamen der Aufforderung nicht nach.
B.
B.a. Nach erfolglosem Schlichtungsverfahren reichte die Käuferin am 15. Januar 2015 beim Zivilgericht Basel-Stadt eine als Teilklage unter Vorbehalt von Mehrforderungen bezeichnete Klageschrift ein. Sie begehrte die Verurteilung der Verkäuferinnen unter Solidarhaftung zur Zahlung von Fr. 328'596.95 zuzüglich Zins zu 5 % ab 27. September 2013, Zug um Zug gegen Herausgabe der in der Rechtsschrift spezifizierten Stromzähler sowie von Fr. 100'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % ab dem 1. Mai 2013.
Mit Entscheid vom 26. Oktober 2016 verurteilte das Zivilgericht Basel-Stadt die Beklagten zur Zahlung an die Klägerin von Fr. 328'596.95 zuzüglich Zins von 5 % ab 27. September 2013 Zug um Zug gegen Herausgabe der sich in ihrem Besitz befindenden zwischen dem 10. Februar 2003 und dem 8. Dezember 2009 bestellten Stromzähler sowie zur Zahlung von Fr. 50'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % ab 1. Mai 2013. Im Mehrbetrag wurde die Klage abgewiesen.
Das Zivilgericht Basel-Stadt bejahte die bestrittene Passivlegitimation der Beklagten 1 und verwarf die Anwendbarkeit des Übereinkommens vom 11. April 1980 der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1; in Kraft getreten für die Schweiz am 1. März 1991, nachfolgend: CISG), da es zu einem " unbefriedigenden Ergebnis " führen würde. Es schloss sodann, die Kaufverträge seien aufgrund Grundlagenirrtums ex tunc unwirksam, weshalb die Beklagten ihre ungerechtfertigte Bereicherung zurückerstatten (Art. 62 OR) sowie Ersatz für Lagerkosten (Art. 939 Abs. 1 ZGB) zu bezahlen hätten.
B.b. Die Beklagten erhoben Berufung beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, welches mit Urteil vom 24. August 2018 den Entscheid des Zivilgerichts Basel-Stadt aufhob und die Klage abwies.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schloss, auf den Vertrag sei das CISG anwendbar, welches die Berufung auf Grundlagenirrtum nach internem Recht, namentlich Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR verdränge. Zufolge gültigen Vertrags seien die Beklagten weder ungerechtfertigt bereichert noch sei der Klägerin ein Ersatz für Lagerkosten zuzusprechen. Ein Schadenersatzanspruch gestützt auf das CISG, culpa in contrahendo oder Art. 41 OR sei sodann, soweit überhaupt zulässig, nicht rechtsgenüglich behauptet bzw. substanziiert worden.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen begehrt die Klägerin im Wesentlichen, es sei das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 24. August 2018 aufzuheben und die Beschwerdegegnerinnen seien in solidarischer Haftung zu verurteilen, ihr Fr. 328'596.95 nebst Zins zu 5 % seit 27. September 2013 Zug um Zug gegen Herausgabe der sich in ihrem Besitz befindenden zwischen dem 19. Februar 2003 und dem 8. Dezember 2009 bestellten Stromzähler sowie Fr. 50'000.-- zuzüglich Zins zu 5 % ab 1. Mai 2013 zu bezahlen. Eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragen in ihrer Antwort, die Beschwerde sei abzuweisen; eventualiter sei das Verfahren zur Neubeurteilung an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückzuweisen.
Die Vorinstanz reichte die Akten ein und beantragt die Abweisung der Beschwerde.
D.
Mit Verfügung vom 13. Dezember 2018 wurde das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.
Erwägungen:
1.
Die Voraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen sind erfüllt und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten, vorbehältlich einer rechtsgenüglichen Begründung (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG).
2.
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Da das CISG integraler Bestandteil des schweizerischen Rechts bildet, kann eine fehlerhafte Anwendung als Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) gerügt werden.
2.2. Nach Art. 7 Abs. 1 CISG sind bei der Auslegung dieses Übereinkommens sein internationaler Charakter und die Notwendigkeit zu berücksichtigen, seine einheitliche Anwendung und die Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel zu fördern. Autonome Auslegung bedeutet, dass die Begriffe des CISG aus sich selbst heraus zu interpretieren sind. Während es sich insoweit verbietet, auf das unvereinheitlichte Recht oder auf bestimmte nationale Begriffe, Qualifikationen oder Verständnisse zurückzugreifen (FRANCO FERRARI, in: Schmidt [Hrsg.], Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 5, 4. Aufl. 2018, N. 7 zu Art. 7 CISG; ULRICH MAGNUS, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Wiener UN-Kaufrecht [CISG], 2018, N. 12 zu Art. 7 CISG; BURGHARD PILTZ, Internationales Kaufrecht, 2. Aufl. 2008, Rz. 2-185), ist die Rechtsprechung anderer Staaten zum CISG inklusive deren Schrifttum mit dem Ziel eines internationalen Entscheidungseinklangs zu berücksichtigen (vgl. OGH [oberster Gerichtshof der Republik Österreich] 8 Ob 104/16a vom 29. Juni 2017 E. 2 S. 9, in: CISG-online 2845; UNCITRAL Digest of Case Law on the CISG, 2016, S. 42 Rz. 4 zu Art. 7 CISG; vgl. auch JOHN O. HONNOLD, Uniform Law for International Sales under the 1980 United Nations Convention, 4. Aufl. 2009 überarbeitet und herausgegegen von Harry M. Flechtner, S. 17 Rz. 17; MAGNUS, a.a.O., N. 21 zu Art. 7 CISG; PILTZ, a.a.O., Rz. 2-141).
2.3. Die Beweislast wird trotz fehlender allgemeiner Norm durch das CISG geregelt. Aus konkreten Bestimmungen zur Beweislast (vgl. insbesondere Art. 79 Abs. 1 CISG) wird abgeleitet, dass jeder Vertragspartner die tatsächlichen Voraussetzungen der Vorschriften zu behaupten und zu beweisen hat, aus denen er einen Vorteil für sich herleitet. Diejenige Partei, die sich auf eine Ausnahmeregel beruft, muss grundsätzlich deren tatsächliche Voraussetzungen beweisen ( actori incumbit probatio; Urteile 4A_243/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 4. 1; 4C.307/2003 vom 19. Februar 2004 E. 3.2.2; 4C.105/2000 vom 15. September 2000 E. 5a; BGH [Bundesgerichtshof der Bundesrepublik Deutschland] VII ZR 304/00 vom 9. Januar 2002 E. 2b S. 14 mit zahlreichen Hinweisen, in: CISG-online 651; insoweit ungenau deshalb Urteil 4C.245/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.1-3.3 und E. 4; für eine Übersicht der herrschenden Lehre, die dieser Ansicht folgt sowie der Minderheitsmeinung siehe MAGNUS, a.a.O., N. 63 ff. zu Art. 4 CISG; MURMANN-STUCKI, in: Brunner [Hrsg.], Stämpflis Handkommentar UN-Kaufrecht - CISG, 2. Aufl. 2014, N. 56 zu Art. 4 CISG; vgl. schliesslich für kritische Meinungen HONNOLD, a.a.O., S. 86 ff. Rz. 70.1 sowie SCHLECHTRIEM/SCHROETER, Internationales UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2016, S. 105 Rz. 211, mit Hinweisen).
Das angerufene Gericht wendet indessen seine lex fori betreffend das (internationale) Prozessrecht an (Urteil 4A_243/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 4. 1 mit Hinweis). Die Fragen der Beweisführung, die anwendbaren Verfahrensgrundsätze, die zulässigen Beweismittel, sowie das Mass der Behauptungs-, Substanziierungs- und Bestreitungslast richten sich - mangels Regelung im grundsätzlich vorbehaltenen IPRG (vgl. Art. 2 ZPO) - nach der ZPO (vgl. Urteile 4A_243/2018 vom 17. Dezember 2018 E. 4.1-4.2; 4C.105/2000 vom 15. September 2000 E. 5a).
3.
Das CISG ist anwendbar auf Kaufverträge einschliesslich Sukzessivlieferungsverträge (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 73 CISG; Cour d'appel de Colmar vom 12. Juni 2001, in: CISG-online 694; Magnus, a.a.O., N. 15 zu Art. 1 CISG) über Waren zwischen Parteien, die ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben (Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG; Urteil 4A_451/2016 vom 8. November 2016 E. 2.1).
3.1. Die Vorinstanz erwog zur Anwendbarkeit des CISG, Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG erfasse auch das vorliegende Vertragsverhältnis, in welchem nur eine der Verkäuferinnen ihre Niederlassung in einem anderen Vertragsstaat hat, wobei sie im Ergebnis offen liess, ob beide Verkäuferinnen von Anfang an am Vertragsverhältnis beteiligt waren, oder ob die Beschwerdegegnerin 2 erst nachträglich dem Vertragsverhältnis beitrat. Da das IPRG für die vorgeschriebene Auslegung des CISG aus sich selbst heraus nicht heranzuziehen sei, könne die...

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