Urteil Nº 4A 98/2020 Bundesgericht, 21-01-2021

Judgement Number4A 98/2020
Date21 janvier 2021
Subject MatterGesellschaftsrecht Partizipationsschein; Missachtung statutarischer Vorzugsrechte,
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_98/2020
Urteil vom 21. Januar 2021
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Kiss, Niquille,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Besetzung
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt
Prof. Dr. Urs Schenker und
Rechtsanwältin Sophie Püschel-Arnold,
Beschwerdeführer,
gegen
B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte
Peter Haas und Alexander Schütz,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Partizipationsschein; Missachtung statutarischer Vorzugsrechte,
Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons Bern, vom 4. Oktober 2019 (HG 18 65).
Sachverhalt:
A.
Das Aktienkapital der B.________ AG (Aktiengesellschaft; Beschwerdegegnerin) von Fr. 750'000.-- ist eingeteilt in 180'660 Namenaktien zu Fr. 3.-- und 693'400 Namenaktien zu Fr. 0.30 (Stimmrechtsaktien). Daneben besteht ein Partizipationskapital von Fr. 702'000.--, eingeteilt in 234'000 Inhaber-Partizipationsscheine zu Fr. 3.--. Im Jahre 1987 hatte die Aktiengesellschaft Partizipationsscheine mit einem Nennwert von Fr. 20.-- eingeführt. 1992 hat sie ihre Statuten überarbeitet und die Rechte der Partizipanten geregelt. Seit einer partiellen Statutenrevision im Jahre 1996 lautet Art. 29 der Statuten wie folgt:
" (A.a.a.a.1) Vom Jahresgewinn sind 5% der allgemeinen Reserve zuzuweisen, bis diese die Höhe von 20% des Aktienkapitals erreicht hat.
(A.a.a.a.1.1) Vom restlichen Jahresgewinn erhalten die Partizipanten eine Vorzugsdividende bis zu 5% des Nominalwerts der Partizipationsscheine. Der noch verbleibende Rest des Gewinns steht unter den gesetzlichen Bestimmungen über weitere Zuweisungen an die allgemeine Reserve zur freien Verfügung der Generalversammlung. Weitere Gewinne sind jedoch gleichmässig im Verhältnis zum Nennwert der Wertpapiere an die Aktionäre und die Partizipanten auszuschütten.
(A.a.a.a.1.2) Die Generalversammlung kann neben dem gesetzlichen Reservefonds die Anlage besonderer Reserven beschliessen, die zu ihrer freien Verfügung stehen."
Die Nennwerte der Aktien und der Partizipationsscheine der Beklagten wurden mehrmals gleichmässig herabgesetzt:
Jahr:
Reduktion:
Nennwert
Stimmrechtsaktien in Fr.:
Nennwert
Stammaktien
in Fr.:
Nennwert Partizipationsscheine in Fr.:
bis 2005
10.--
100.--
20.--
2004/05
10 %
9.--
90.--
18.--
2005/06
16.67 %
7.50
75.--
15.--
2006/07
20 %
6.--
60.--
12.--
2007/08
25 %
4.50
45.--
9.--
2008/09
33.34 %
3.--
30.--
6.--
2013
0.60
6.--
6.--
2015
25 %
0.45
4.50
4.50
2016
33.34 %
0.30
3.--
3.--
Die Kapitalherabsetzungen wurden an den ordentlichen Generalversammlungen der Aktiengesellschaft beschlossen. Eine besondere Versammlung der Partizipanten fand jeweils nicht statt, ihre Zustimmung wurde nicht eingeholt. Bei der Nennwertreduktion der Aktien im Jahre 2013 handelte es sich nicht um eine Kapitalherabsetzung, sondern um eine Umwandlung von Stimmrechtsaktien in Stammaktien mit nachfolgendem Aktiensplit.
B.
Am 30. April 2018 fand die ordentliche Generalversammlung der Aktiengesellschaft für das Geschäftsjahr 2017 statt. A.________ (Kläger; Beschwerdeführer) liess sich an dieser Generalversammlung als Aktionär vertreten und stellte zu Traktandum 4 "Verwendung des Geschäftsergebnisses 2017" den Antrag, zusätzlich zu der vorgesehenen Ausschüttung einer Dividende von Fr. 5.-- pro Partizipationsschein eine Vorzugsdividende von Fr. 0.15 pro Partizipationsschein auszubezahlen. Da der Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft seinen Antrag nicht zur Beratung und Abstimmung zuliess und die Generalversammlung den Beschluss über die Verwendung des Geschäftsergebnisses für das Jahr 2017 entsprechend dem Antrag des Verwaltungsrates fasste, focht er den Beschluss vom 30. April 2018 mit Klage vom 2. Juli 2018 beim Handelsgericht des Kantons Bern an. Er beantragte im Wesentlichen, den unter Traktandum Nr. 4 gefassten Beschluss aufzuheben, und verlangte von der Aktiengesellschaft Fr. 152'504.-- sowie Fr. 472'762.40 (Betrag gemäss Replik; ursprünglich wurden Fr. 320'258.40 verlangt) nebst Zins. Eventualiter sei die Aktiengesellschaft zu verpflichten, Generalversammlungsbeschlüsse zu fassen, wonach für die Geschäftsjahre 2012, 2013, 2014 und 2016 eine jeweils betraglich pro Partizipationsschein festgesetzte Vorzugsdividende auszuschütten sei.
Mit Entscheid vom 4. Oktober 2019 hob das Handelsgericht den unter Traktandum Nummer 4 gefassten Beschluss der Beklagten vom 30. April 2018 über die Verwendung des Geschäftsergebnisses 2017 auf und wies die Klage soweit weitergehend ab. Es kam zum Schluss, gestützt auf die Statuten bestehe eine Pflicht zur Ausrichtung einer Vorzugsdividende von 5 % an die Partizipanten. Entgegen der Ansicht des Klägers sei allerdings nicht auf die Höhe des ursprünglichen Nominalwerts der Partizipationsscheine von Fr. 20.-- abzustellen. Zwar war nach Ansicht des Handelsgerichts mit jeder Herabsetzung des Nennwerts der Partizipationsscheine ein Vorrecht der Partizipanten beschränkt worden, so dass gemäss Art. 656f. Abs. 4 OR eine Sonderversammlung hätte durchgeführt werden müssen. Da aber die Partizipanten die Herabsetzungsbeschlüsse nicht angefochten hätten, seien diese wirksam geworden und hätten sich die Bemessungsmodalitäten der Vorzugsdividende geändert. Für die Geschäftsjahre 2013 und 2014 sei eine dieser Bemessungsgrundlage entsprechende Vorzugsdividende ausbezahlt worden, in den Jahren 2012 und 2016 sei dagegen keine (2016) oder eine zu geringe (3.33 %; 2012) ausbezahlt worden. Die entsprechenden Beschlüsse seien aber nicht angefochten worden, weshalb auch sie definitive Gültigkeit erlangt hätten. In Bezug auf das Geschäftsjahr 2017 kam das Handelsgericht zum Schluss, entgegen einer zu einem früheren Rechtszustand ergangenen Rechtsprechung (BGE 29 II 452 und BGE 53 II 250) und der wohl herrschenden Lehre bestehe kein direktes Klagerecht des Klägers. Vielmehr habe er die erneute Beschlussfassung der Generalversammlung abzuwarten, denn die Dividendenforderung entstehe erst mit dem entsprechenden Beschluss der Generalversammlung.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Kläger dem Bundesgericht im Wesentlichen, den Entscheid des Handelsgerichts aufzuheben, soweit seine Klage abgewiesen wurde, und er wiederholt seine beiden Forderungsbegehren über Fr. 152'504.-- und Fr. 472'762.40 nebst Zins. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, während das Handelsgericht auf den angefochtenen Entscheid verweist und auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft aber unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f., 115 E. 2 S. 116).
Die Beschwerdegegnerin stellt in ihrer Beschwerdeantwort die Erwägungen der Vorinstanz bezüglich der Pflicht, eine Vorzugsdividende auszurichten, nicht in Abrede. Insoweit ist der angefochtene Entscheid nicht zu überprüfen. Dagegen bestreitet die Beschwerdegegnerin wie bereits vor der Vorinstanz auch vor Bundesgericht die Legitimation des Beschwerdeführers zur Geltendmachung der Forderungsbegehren. Weil der Beschwerdeführer lediglich Zessionen datiert aus dem Jahr 2018 vorbringe, mit denen die Rechte mit einem Nennwert von Fr. 3.-- abgetreten worden seien, fehle die Legitimation für die Jahre 2013-2017 vollständig und mit Blick auf das Jahr 2018 mit Bezug auf die Höhe der Forderung. Diese Frage muss indessen nicht behandelt werden, sofern die Vorinstanz zu Recht davon ausging, dem Beschwerdeführer stehe kein direktes Forderungsrecht zu.
2.
Der Beschwerdeführer ist unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 29 II 452; 53 II 250) der Auffassung, die Partizipanten hätten aufgrund von Art. 656 OR einen direkten statutarischen Anspruch auf Zahlung einer Vorzugsdividende. Der Anspruch entstehe im Zeitpunkt, in dem die Generalversammlung die Erfolgsrechnung genehmige. Ein Beschluss der Generalversammlung über die Vorzugsdividende sei nicht notwendig. Es handle sich um einen Individualanspruch, der mit Leistungsklage durchgesetzt werden könne. Die Leistungsklage sei vom Bundesgericht immer unabhängig von der Anfechtungsklage behandelt worden (BGE 29 II 452; 53 II 250), und zwar auch später betreffend Tantiemenforderungen von Verwaltungsräten (BGE 75 II 149; Urteil des Bundesgerichts 4C_386/2002 vom 12. Oktober 2004). Vor diesem Hintergrund könne er seine Forderungen auf Vorzugsdividenden für die Jahre 2012 bis 2016 geltend machen, obwohl die Beschlüsse über die ordentliche Dividende nicht angefochten worden sind. Dies ergebe sich auch aus der Formulierung von Art. 656 OR.
3.
Die Generalversammlung kann nach Massgabe der Statuten oder auf dem Wege der Statutenänderung die Ausgabe von Vorzugsaktien beschliessen oder bisherige Aktien in Vorzugsaktien umwandeln (Art. 654 Abs. 1 OR). Durch die Ausgabe von Vorzugs- oder Prioritätsaktien wird neben den Stammaktionären eine besondere Kategorie von Aktionären geschaffen, denen durch die Statuten ein Vorrecht eingeräumt wird (MARTIN LIEBI, in: Basler Kommentar...

Pour continuer la lecture

SOLLICITEZ VOTRE ESSAI

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT