Urteil Nº 4A 609/2019 Bundesgericht, 16-07-2020

Judgement Number4A 609/2019
Date16 juillet 2020
Subject MatterImmaterialgüter-, Wettbewerbs- und Kartellrecht Patentverletzung
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_609/2019
Urteil vom 16. Juli 2020
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Niquille,
Bundesrichter Rüedi,
Bundesrichterin May Canellas,
Gerichtsschreiber Curchod.
Verfahrensbeteiligte
A.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Rudolf A. Rentsch und Ernst J. Brem,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Gasser,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Patentverletzung,
Beschwerde gegen das Teilurteil des Bundespatentgerichts vom 1. November 2019 (O2017_007).
Sachverhalt:
A.
Die B.________ AG, Bonaduz/GR (Patentinhaberin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) ist Inhaberin des europäischen Patents xxx (nachfolgend: Klagepatent). Dieses bezieht sich gemäss seinem Titel auf ein Verfahren und eine Einrichtung zum Vereinfachen einer diagnostischen Bewertung eines mechanisch beatmeten Patienten.
Die A.________ AG, Buchs/SG (Beklagte, Beschwerdeführerin) vertreibt unter anderem das Beatmungsgerät "C.________" in verschiede nen Varianten nebst zugehörigen proximalen Flusssensoren, das nach der Behauptung der Patentinhaberin das europäische Patent xxx verletzt.
B.
B.a. Am 23. Mai 2017 reichte die Klägerin beim Bundespatentgericht eine Patentverletzungsklage ein. Sie stellte lange - im Laufe des Verfahrens angepasste - Rechtsbegehren, die im Wesentlichen auf das Verbot des Vertriebs in der Schweiz und Liechtenstein von Beatmungsgeräten zur mechanischen Beatmung eines Patienten mit Beatmungsluft, die verschiedene Merkmale aufweisen (Rechtsbegehren 1), bzw. von unter verschiedenen Bezeichnungen vertriebenen Produkten (Rechtsbegehren 2, 3 und 4) gerichtet sind. Zudem stellte sie ein Begehren auf Auskunft und Rechnungslegung hinsichtlich der von der Beklagten erzielten relevanten Netto-Verkaufserlöse und Bruttogewinne (Rechtsbegehren 5) und beantragte die Zahlung eines gemäss dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren zu ermittelnden Betrages (Rechtsbegehren 6) sowie die Einziehung und Zerstörung der Vorrichtungen gemäss Rechtsbegehren 1-4 bzw. der zu ihrer Herstellung dienenden und sich im Eigentum der Beklagten befindenden Mittel (Rechtsbegehren 7).
B.b. Am 8. Mai 2018 fand eine Instruktionsverhandlung statt, die zu keiner Einigung führte. Anschliessend wurde der Schriftenwechsel abgeschlossen.
B.c. Am 10. Mai 2019 erstattete Richter Philipp Rüfenacht ein Fachrichtervotum.
B.d. Mit Teilurteil vom 1. November 2019 erkannte das Bundespatentgericht:
"1. (prozessuale Anträge)
2. In teilweiser Gutheissung von Rechtsbegehren 1a wird der Beklagten unter Androhung einer Ordnungsbusse von CHF 1'000 pro Tag nach Art. 343 Abs. 1 lit. c ZPO, mindestens aber von CHF 5'000 nach Art. 343 Abs. 1 lit. b ZPO, sowie der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB mit Busse im Widerhandlungsfall verboten, in der Schweiz und in Liechtenstein zu vertreiben, in der Schweiz und in Liechtenstein einzuführen, aus der Schweiz und aus Liechtenstein auszuführen, in der Schweiz und in Liechtenstein und aus der Schweiz und aus Liechtenstein anzubieten, in der Schweiz und in Liechtenstein und aus der Schweiz und aus Liechtenstein zu verkaufen, in der Schweiz und in Liechtenstein sonst wie in Verkehr zu bringen und dafür Werbung zu betreiben (auch über Internet), in der Schweiz und in Liechtenstein zu besitzen, in der Schweiz und in Liechtenstein zu diesen Zwecken herzustellen oder herstellen zu lassen und/oder zu solchen Handlungen Dritte anzustiften und/oder bei ihnen mitzuwirken und/ oder ihre Begehung zu begünstigen und/oder zu erleichtern:
Beatmungsgerät zur mechanischen Beatmung eines Patienten mit Beatmungsluft, das folgende Merkmale aufweist:
-einen Bildschirm,
-eine Sensorik zur Messung von Druck, Volumen und Fluss der Beatmungsluft,
-eine Gerätesteuerung,
- wobei die Gerätesteuerung dazu ausgebildet ist, in Kombination mit der Sensorik wenigstens die folgenden drei veränderlichen Werte bei der mechanischen Beatmung eines Patienten zu erfassen:
- die Volumenveränderung der beatmeten Lunge bei jedem Atemzug,
- die Compliance der Lunge,
- die Atemfrequenz,
und wobei die Gerätesteuerung ferner dazu ausgebildet ist, die wenigstens drei erfassten Werte gemeinsam in einem einzigen grafischen Element, wel ches wenigstens eine bildliche Darstellung einer Lungenform umfasst, derart auf dem Bildschirm darzustellen, dass
- die bei jedem Atemzug erfasste Volumenveränderung der beatmeten Lunge durch eine dieser entsprechenden Grössenveränderung der Lungenform animiert dargestellt ist,
-eine qualitative Aussage über die Compliance der Lunge durch eine variierende Ausbildung einer Konturlinie der Lungenform animiert dargestellt ist und
- die Atemfrequenz durch die mit der Atemfrequenz einhergehende Grössenveränderung der Lungenform animiert dargestellt ist.
3. Im weiteren Umfang wird das Rechtsbegehren 1a abgewiesen.
4. Auf die Rechtsbegehren 2 bis 4 wird nicht eingetreten.
5. In teilweiser Gutheissung von Rechtsbegehren 5 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin binnen 60 Tagen nach Eintritt der Rechtskraft dieses Teilurteils
- Namen und Anschrift aller gewerblichen Abnehmer der Vorrichtungen gemäss Ziff. 2 vorstehend mitzuteilen,
- sämtliche Rechnungen (mit Lieferzeiten und -preisen) für Vorrichtungen gemäss Ziff. 2 vorstehend in Kopie zur Verfügung zu stellen.
Im weiteren Umfang wird Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren abgewiesen.
6. Das Rechtsbegehren 7 wird abgewiesen.
7. 7-11 (Kosten- und Entschädigungsregelung, Mitteilung) "
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 6. Dezember 2019 beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, das Teilurteil des Bundespatentgerichts vom 1. November 2019 sei in den Dispositiv-Ziffern 2, 5, 8, 9 (Gerichtskosten) und 10 (Parteientschädigung) kostenfällig aufzuheben und die Klage sei vollumfänglich abzuweisen; eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an das Bundespatentgericht zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin trägt auf Abweisung der Beschwerde an, soweit darauf einzutreten ist.
Die Parteien haben unaufgefordert repliziert bzw. dupliziert. Das Bundespatentgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Der angefochtene Entscheid ist ein Teilurteil, mit dem das erste Unterlassungsbegehren (Rechtsbegehren 1) und das Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren der Beschwerdegegnerin (Rechtsbegehren 5) teilweise geschützt wurden und das Begehren auf Einziehung und Vernichtung (Rechtsbegehren 7) abgewiesen wurde. Über das im Rahmen einer Stufenklage zusammen mit dem Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren gestellte Leistungsbegehren (Rechtsbegehren 6) wurde nicht entschieden. Damit wurde über einen Teil der objektiv gehäuften, unabhängigen Begehren endgültig im Sinn von Art. 91 Abs. 1 lit. a BGG entschieden (betr. den Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung bzw. Rechnungslegung vgl. Urteil 4A_269/2017 vom 20. Dezember 2017 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 144 III 43, mit Hinweisen). Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben keinen Anlass zu Bemerkungen. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt einer genügenden Begründung (Art. 42 Abs. 2 BGG) - einzutreten.
2.
Nach Art. 42 Abs. 1 BGG haben Beschwerden an das Bundesgericht nebst den Begehren die Begründung zu enthalten; darin ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Begründung braucht nicht zutreffend zu sein; verlangt wird aber, dass sich die Beschwerde mit dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzt und im Einzelnen dargetan wird, worin eine Verletzung von Bundesrecht liegen soll (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 ff.). Sodann prüft das Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Es gilt insofern eine gesteigerte Rügepflicht (BGE 143 II 283 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Wird eine solche Verfassungsrüge nicht vorgebracht, kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine Verfassungsverletzung tatsächlich vorliegt (BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 131 I 377 E. 4.3 S. 385). Entsprechende Anforderungen gelten für die Kritik an den Sachverhaltsfeststellungen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18; zum Ganzen vgl. BGE 144 III 337, nicht publ. E. 1.1).
3.
Das Klagepatent wurde am 30. Januar 2007 angemeldet und am 16. Juni 2010 erteilt. Es ist unbestritten, dass damit das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ, SR 0.232.142.2) in seiner Fassung gemäss Revision vom 29. November 2000 Anwendung findet, die für die Schweiz am 13. Dezember 2007 in Kraft getreten ist.
Mit dem EPÜ 1973 sowie dessen Änderungen gemäss EPÜ 2000 wurde ein den Vertragsstaaten gemeinsames Recht für die Erteilung von Erfindungspatenten geschaffen (vgl. Art. 1 EPÜ 1973 / EPÜ 2000). Für die nach diesem Übereinkommen erteilten europäischen Patente gelten nach Art. 52 ff. einheitliche Regeln hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen der Patentierbarkeit. Zwar enthält das Übereinkomme n keine Bestimmung, wonach die Entscheidungen der Organe des Europäischen Patentamts für die Gerichte der Vertragsstaaten verbindlich wären. Im Hinblick auf das Vertragsziel der Rechtseinheit ist jedoch, was auch die Parteien nicht in Frage stellen, die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind auch einschlägige Entscheide ausländischer Gerichte bei der Auslegung zu berücksichtigen, wobei höchstrichterliche Urteile besonderes Gewicht haben, aber auch überzeugend begründete Entscheide unterer Instanzen beachtlich sind (BGE 137 III 170 E. 2.2.1 S. 175 mit Hinweisen).
4.
Das Klagepatent bezieht sich gemäss seinem Titel (vgl. Sachverhalt A) auf ein...

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