Urteil Nº 4A 490/2019 Bundesgericht, 26-05-2020
Judgement Number | 4A 490/2019 |
Date | 26 mai 2020 |
Subject Matter | Vertragsrecht Versicherung |
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
4A_490/2019
Urteil vom 26. Mai 2020
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Bundesrichterin Niquille, Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Gross.
Verfahrensbeteiligte
A.________ Holding AG,
vertreten durch
Rechtsanwalt Prof. Dr. Joachim Frick und
Rechtsanwältin Dr. Martina Steiner,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________ Ltd.,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Länzlinger und Rechtsanwältin Sarah Mahmud,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Versicherung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, I. Zivilabteilung, vom 28. August 2019 (Z1 2018 7).
Sachverhalt:
A.
A.a. Die A.________ Holding AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) hat ihren Sitz in U.________ und ist die Muttergesellschaft der A.________ Gruppe. Diese erbringt über diverse Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern Finanzdienstleistungen. Dem Verwaltungsrat der Klägerin gehörten u.a. C.________ sowie D.________ an. In der von der Klägerin zu 100 % beherrschten A.________ AG fungierten die beiden ebenfalls als Verwaltungsräte. D.________ war auch operativ als CFO und später als CEO tätig. Eine weitere Tochtergesellschaft der Klägerin ist die A.________ Inc. mit Sitz in den USA.
Die B.________ Ltd. (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist eine Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in V.________. Sie bietet Versicherungen an.
A.b. Die Klägerin schloss für sich und weitere Unternehmen der Gruppe über die Brokerin E.________ Limited (Brokerin) mit der Beklagten und F.________ Limited (Versicherer 2) sowie der G.________ (Versicherer 3; alle drei gemeinsam: Versicherer) Versicherungsverträge betreffend die zivilrechtliche und organschaftliche Haftung ab. Die zwei Versicherungsverträge, die für das Verfahren relevant sind, galten für die Versicherungsperioden vom 24. August 2008 bis zum 24. August 2009 (Police 2008) und vom 24. August 2009 bis zum 24. August 2010 (Police 2009).
A.c. Die Schadenersatzforderungen, deren Deckung die Klägerin von der Beklagten verlangt, beruhen auf zwei Gerichtsverfahren in den USA (nachfolgend: die US-Verfahren) :
A.c.a. Die H.________ LLC war eine US-Investmentgesellschaft, deren Geschäftstätigkeit in der Verwaltung von Private-Equity-Fonds bestand. Für diese Geschäftstätigkeit stellte die I.________ Bank der H.________ LLC Kredite zur Verfügung. H.________ LLC errichtete als übergeordnete Managementgesellschaft einzelne Fonds in der Gesellschaftsform der " Limited Partnership ". Jeder dieser Fonds hatte wiederum einen " General Partner ", der den Fonds verwaltete und vertrat und sowohl mit dem Fonds (über die " Fund Partnership Agreements ") als auch mit H.________ LLC (über die " Management Agreements ") vertraglich verbunden war. In diesen Verträgen wurden u.a. die von den Fonds an den " General Partner " sowie die von diesem an H.________ LLC zu bezahlenden Managementgebühren geregelt.
A.c.b. Im März 2009 einigten sich A.________ Inc. sowie u.a. H.________ LLC und die I.________ Bank in einem " Preliminary Termsheet " auf Verhandlungen hinsichtlich eines Vertrages, mit welchem die A.________ Inc. oder eine ihr zugehörige Gruppengesellschaft bestimmte Vermögenswerte von H.________ LLC erwerben sollte. Dabei sollte eine neu zu gründende Gesellschaft der A.________ Gruppe die Rolle des " General Partners " der Fonds übernehmen und H.________ LLC die " Management Agreements " an A.________ Inc. abtreten (nachfolgend: die Transaktion). Die Unterzeichnung dieses Termsheets wurde öffentlich gemacht.
A.c.c. Im April 2009 reichten drei ehemalige Manager von H.________ LLC (J.________ und K.________ sowie L.________) in den USA Klage gegen H.________ LLC ein.
A.c.d. Mit Schreiben vom 7. Mai 2009 teilte der damalige Rechtsanwalt der drei Manager, M.________, der A.________ Inc. mit, seine Klienten seien darüber informiert, dass die A.________ Inc. mit H.________ LLC und ihren zugehörigen Gruppengesellschaften in Verbindung mit der I.________ Bank den Abschluss einer Transaktion anstrebe, um A.________ Inc. als Rechtsnachfolger oder " General Partner " von mehreren derzeit von H.________ LLC verwalteten " Limited Partnerships " einzusetzen. Im Gegenzug werde A.________ Inc. nach den vorgesehenen Bedingungen der Transaktion Managementgebühren von allen oder den meisten " Limited Partnerships " erhalten. J.________, K.________ und L.________ stünden jedoch auf der Grundlage ihrer Verträge mit H.________ LLC prozentuale Anteile an den Managementgebühren zu. Dieses Recht könne nicht ohne ihre Zustimmung übertragen werden und sie würden diese nicht erteilen. Kürzlich von der I.________ Bank und A.________ Inc. getroffene Massnahmen würden eine " tortious interference with each of our clients' contracts with H.________ LLC (and others) " darstellen. Sollte dieses Verhalten das " property interest " der Klientschaft an den Managementgebühren beeinträchtigen, sähe sich diese gezwungen, die I.________ Bank und A.________ Inc. als Beklagte zu den entsprechenden Gerichtsverfahren hinzuzufügen. J.________, K.________ und L.________ würden alle ihnen gegen die I.________ Bank und A.________ Inc. zustehenden Rechte unter allen anwendbaren rechtlichen Gesichtspunkten geltend machen.
A.c.e. Am 15. Juni 2009 (Verfahren L.________) bzw. am 2. Juli 2009 (Verfahren J.________/K.________) wurde eine erste geänderte Klage u.a. gegen H.________ LLC sowie zahlreiche weitere Parteien eingereicht.
A.c.f. Am 15. Juli 2009 kam es zum Abschluss der geplanten Transaktion (vgl. hiervor Bst. A.c.b). Dabei trat H.________ LLC u.a. sämtliche " Management Agreements " mit den " General Partners " an die zu diesem Zweck von der A.________ Inc. gegründeten Tochtergesellschaft, N.________ LLC, ab.
A.c.g. Mit geänderter Klage vom 11. Mai 2010 machten J.________, K.________ und L.________ nun auch gegenüber A.________ Inc. und der I.________ Bank Ansprüche geltend, J.________ und K.________ zusätzlich gegen N.________ LLC. Am 28. Juni 2011 wurden die Klagen erneut um zahlreiche Parteien erweitert. In der Folge beurteilte der zuständige Richter mit Entscheid vom 6. November 2012 einzelne Begehren der Kläger im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen.
Am 11. Februar 2013 schlossen A.________ Inc., N.________ LLC und weitere Parteien mit L.________ einen Vergleich über USD 3'900'000.-- bzw. USD 3'950'000.-- (je nach den anwendbaren Zahlungsmodalitäten).
Am 13. März 2013 wurde N.________ LLC (nebst anderen Parteien) verurteilt an J.________ und K.________ hohe Schadenersatzzahlungen zu leisten. Nach diesen Urteilen schlossen A.________ Inc., N.________ LLC sowie weitere Parteien am 31. Dezember 2013 auch mit J.________ und K.________ einen Vergleich über insgesamt USD 9'000'000.-- ab.
A.d.
A.d.a. Bereits am 16. Juni 2009 hatte im Hinblick auf die Erneuerung der Police 2008 (vgl. Sachverhalt Bst. A.b) ein "Renewal Meeting" stattgefunden, an dem ein Vertreter des Versicherers 2, drei Vertreter der Brokerin sowie D.________ teilnahmen. Dabei wurden offenbar auch "two H.________ LLC litigation issues" diskutiert. Am 12. August 2009 informierte eine Vertreterin der Brokerin anlässlich eines Treffens eine Vertreterin der Beklagten über die Existenz von Gerichtsverfahren gegen H.________ LLC. Daraufhin teilte die Beklagte mit, sie werde die Police nur unter der Bedingung erneuern, dass die Klägerin eine "No-Claims-Declaration" unterzeichne. Diese Erklärung wurde am 17. August 2009 unterzeichnet.
A.d.b. Mit E-Mail vom 22. Juli 2010 informierte die Brokerin den Versicherer 2 über den möglichen "Schadenfall J.________, K.________ und L.________". Der Schaden wurde unter der Police 2009 gemeldet. Mit E-Mail vom 29. Juli 2010 teilte die Brokerin D.________ mit, die Versicherer würden eine Deckung des geltend gemachten Schadens ablehnen.
A.d.c. Mit Brief vom 29. Juli 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, im Schreiben des US-Anwalts vom 7. Mai 2009 (vgl. hiervor Bst. A.c.d), das ihr erst am 2. Juli 2013 zugegangen sei, sei eine erhebliche Forderung angedroht worden, falls es zum Abschluss der Transaktion komme. Die "No-Claims-Declaration" vom 17. August 2009 enthalte diesen wesentlichen Umstand nicht. Aus diesen Gründen trete sie gestützt auf Art. 6 VVG rückwirkend von der Police 2009 zurück.
A.e. Mit Zessionserklärung vom 19/22. Mai 2015 traten verschiedene Parteien - darunter A.________ Inc., N.________ LLC und die A.________ AG - ihre angeblichen, aus den US-Verfahren herrührenden Ansprüche auf Versicherungsdeckung an die Klägerin ab.
B.
Am 1. Juni 2015 reichte die Klägerin beim Kantonsgericht Zug Klage ein und beantragte im Wesentlichen, die Beklagte habe ihr USD 7'056'200.-- (eventualiter Fr. 6'967'997.--) nebst Zins (Ziff. 1-2) sowie USD 6'000'000.-- (eventualiter Fr. 5'925'000.--) nebst Zins unter Vormerk eines Nachklagevorbehalts (Ziff. 3-5) zu bezahlen. Zusätzlich ergänzte sie in der Replik, die Beklagte sei zur Bezahlung eines Betrages von USD 134'782.-- (eventualiter Fr. 130'817.--) nebst Zins zu verpflichten (Ziff. 6-7).
Mit Urteil vom 21. Februar 2018 wies das Kantonsgericht Zug die Klage kostenfällig ab. Es verneinte eine Deckung sowohl unter der Police 2008 als auch unter der Police 2009. Zudem verneinte es einen unberechtigten Rücktritt vom Versicherungsvertrag (Police 2009).
Dagegen erhob die Klägerin Berufung beim Obergericht des Kantons Zug. Die Rechtsbegehren betreffend Schadenersatz infolge ungerechtfertigter Kündigung der Police 2009 (Ziff. 3-5) zog sie zurück, beharrte aber auf Schadenersatzforderungen aus zivilrechtlicher Haftpflicht samt Rechtsschutzkosten in der Höhe von insgesamt USD 7'190'982.-- (eventualiter Fr. 7'098'814.--) (Ziff. 1-2 und 6-7).
Mit Entscheid vom 28. August 2019 schrieb das Obergericht die...
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