Urteil Nº 2C_1065/2014 Bundesgericht, 26-05-2016

Judgement Number2C_1065/2014
Date26 mai 2016
Subject MatterImmaterialgüter-, Wettbewerbs- und Kartellrecht* Publikation einer Sanktionsverfügung
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 1/2}
2C_1065/2014
Urteil vom 26. Mai 2016
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Errass.
Verfahrensbeteiligte
Nikon AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwälte
Dr. Roger Staub und Boris Wenger,
gegen
Wettbewerbskommission.
Gegenstand
Publikation einer Sanktionsverfügung,
Beschwerde gegen das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung II,
vom 15. Oktober 2014.
Sachverhalt:
A.
Mit Verfügung vom 28. November 2011 sanktionierte die Wettbewerbskommission (WEKO) die Nikon AG gestützt auf Art. 49a Abs. 1 des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 1995 (KG; SR 251) wegen Absprachen nach Art. 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 KG mit rund 12,5 Millionen Franken. Die Nikon AG hat dagegen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht; das Verfahren ist hängig. Die WEKO lud in der Folge die Nikon AG ein, Textstellen, die nach deren Ansicht Geschäftsgeheimnisse enthalten würden, im Hinblick auf eine vorgesehene Publikation im Publikationsorgan der WEKO "Recht und Politik des Wettbewerbs (RPW) " zu bezeichnen. Die Nikon AG beantragte, eine gekürzte Version der Sanktionsverfügung zu publizieren.
B.
Die WEKO publizierte am 16. Februar 2012 auf ihrer Webseite eine gekürzte Version der Sanktionsverfügung mit dem Hinweis, dass es sich "bei dieser Version [...] nicht um die definitive Version [handle], da einige Textstellen Gegenstand laufender Abklärungen i.S. des Geschäftsgeheimnisses [seien]. Diese Passagen [seien] in dieser Version geschwärzt. Da gegen diese Verfügung Beschwerde erhoben [worden sei], [sei] sie noch nicht rechtskräftig". Die WEKO vertrat gegenüber der Nikon AG, dass deren bezeichnete Textpassagen keine Geschäftsgeheimnisse enthielten. Diese stimmte der Offenlegung einiger Textstellen zu, bestand aber aufgrund des Persönlichkeitsschutzes der Beteiligten auf der Abdeckung der im Begründungstext wörtlich zitierten E-Mails.
C.
Am 4. Juni 2012 erliess die WEKO folgende Verfügung:
"Aufgrund des Sachverhalts und der vorangehenden Erwägung verfügt das Sekretariat der Wettbewerbskommission mit einem Mitglied des Präsidiums:
1. Es wird festgestellt, dass die von Nikon bezeichneten Textstellen hinsichtlich der Randziffern 268, 273, 299, 338, 420, 507, 510, 511 und 515 der Verfügung der Weko vom 28. November 2011 die an Geschäftsgeheimnisse zu stellenden Anforderungen erfüllen und im Rahmen der Publikation abgedeckt werden. Die von Nikon in den Randziffern 390, 393, 410 und 462 der Verfügung der Weko vom 28. November 2011 bezeichneten Bandbreiten werden im Sinne der Erwägungen offengelegt.
2. Es wird festgestellt, dass die übrigen von Nikon bezeichneten Textstellen die an Geschäftsgeheimnisse zu stellenden Anforderungen nicht erfüllen und folglich im Rahmen der Publikation nicht abgedeckt werden.
3. Die Verfügung der Wettbewerbskommission vom 28. November 2011 wird - nach Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Verfügung - in der von Nikon mit Schreiben vom 22. Februar 2012 vorgelegten Form veröffentlicht, mit Ausnahme der in Ziffer 1 dieses Dispositives ausdrücklich genannten Textstellen.
4. Die Verfahrenskosten von insgesamt CHF 7'986.50 werden Nikon im Umfang von 4/7, ausmachend CHF 4'563.70, auferlegt.
5. [Mitteilung]."
Dagegen hat die Nikon AG Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht geführt. Dieses hat mit Urteil vom 15. Oktober 2014 entschieden:
"1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Ziff. 2, 3 und 4 der Verfügung vom 4. Juni 2012 werden insoweit aufgehoben, als die Vorinstanz angewiesen wird, die Textstellen Rz. 89, 154a, 302, 306, 306b und 318 der Verfügung vom 28. November 2011, wie vorstehend wiedergegeben (8.3-8.4), in der Publikation abzudecken.
2. Die Beschwerdeführerin hat der Vorinstanz für das vorinstanzliche Verfahren einen reduzierten Kostenanteil im Umfang von Fr. 3'765.- zu bezahlen.
3. Soweit weitergehend wird die Beschwerde abgewiesen.
4. Der Beschwerdeführerin werden die Kosten für das Beschwerdeverfahren in Höhe von Fr. 2'500.- auferlegt und nach Rechtskraft dieses Urteils teilweise dem von ihr geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 1'000.- entnommen. Den Restbetrag von Fr. 1'500.- hat sie innert 30 Tagen nach Rechtskraft dieses Urteils zu Gunsten der Gerichtskasse zu bezahlen.
5. Der Beschwerdeführerin wird zulasten der Vorinstanz eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (inkl. MWST) zugesprochen.
6. [Mitteilung]."
D.
Vor Bundesgericht stellt die Nikon AG folgende Begehren:
1. Dispositiv Ziffern 2 und 4 des Urteils der Vorinstanz vom 15. Oktober 2014 seien vollumfänglich aufzuheben. Dispositiv Ziffer 3 des Urteils der Vorinstanz vom 15. Oktober 2014 sei in Bezug auf die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 aufzuheben.
2. Die Wettbewerbskommission sei anzuweisen, die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 in der publizierten Fassung abzudecken.
3. Eventualiter zu Rechtsbegehren 2 sei die Wettbewerbskommission anzuweisen, die in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 in der publizierten Fassung bis zum Eintritt der Rechtskraft der Verfügung vom 28. November 2011 abzudecken.
4. Sub-eventualiter zu Rechtsbegehren 3 seien die von der Beschwerdeführerin in Beilage 4 zu dieser Beschwerde vorgeschlagenen Texte für die Umschreibung des wesentlichen Inhalts der in Beilage 3 zu dieser Beschwerde bezeichneten Textstellen der Verfügung vom 28. November 2011 zu verwenden.
5. Sub-sub-eventualiter zu Rechtsbegehren 4 sei die Sache mit der Anweisung, im Sinne der Erwägungen des Bundesgerichts zu entscheiden an die Wettbewerbskommission bzw. an die Vorinstanz zurückzuweisen.
6. Es sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen. [...]"
Sie begründete die Beschwerde mit einer Verletzung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Unschuldsvermutung), Verfassungs- (Verletzung des Persönlichkeitsrechts, der Unschuldsvermutung, des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Begründungspflicht) und Bundesgesetzesrecht (KG, DSG [SR 235.1]).
E.
Die WEKO beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht und das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) verzichten auf eine Vernehmlassung. Die Beschwerdeführerin repliziert.
Mit Verfügung vom 12. Dezember 2014 erkannte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.
Erwägungen:
1.
1.1. Die amtliche Publikation einer (Sanktions-) Verfügung ist tatsächliches Verwaltungshandeln. Streitigkeiten über die Veröffentlichung müssen - sofern die Voraussetzungen zutreffen - verfügungsweise entschieden werden (Art. 25, 25a VwVG [SR 172.021]; Art. 25 DSG). Die WEKO hat mit Verfügung vom 4. Juni 2012 festgehalten, dass gewisse, von der Beschwerdeführerin als Geschäftsgeheimnis taxierte Textstellen keine Geschäftsgeheimnisse darstellen würden und demzufolge zu publizieren seien. Diese Verfügung vom 4. Juni 2012 kann beim Bundesverwaltungsgericht und dessen Entscheid hernach mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 31, Art. 32 i.V.m. 33 lit. f VGG bzw. Art. 82, Art. 83 i.V.m. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG).
1.2. Die Beschwerdeführerin ist direkte Adressatin des angefochtenen Entscheides; sie wird materiellrechtlich durch die vorgesehene Veröffentlichung der strittigen Emails beschwert und insofern hat sie ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des Entscheids. Sie ist deshalb zur Beschwerdeerhebung berechtigt (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf das frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und formgerecht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) eingereichte Rechtsmittel ist einzutreten.
1.3. Mit der Beschwerde kann, soweit dies hier interessiert, die Verletzung von Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrechts sowie von Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann deren Sachverhaltsfeststellung auf Rüge hin oder von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder an einer massgeblichen Rechtsverletzung leidet (vgl. Art. 97 und 105 BGG).
2.
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Publikation verschiedener Emailkorrespondenzen, welche in der Verfügung vom 28. November 2011 aufgeführt sind, eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips, der Persönlichkeit, des Geschäftsgeheimnisses, des Datenschutzgesetzes, der Unschuldsvermutung sowie der Begründungspflicht darstelle. Es handelt sich dabei in tatsächlicher Hinsicht noch um die nachfolgend aufgeführten Passagen bzw. Worte der Verfügung vom 28. November 2011, welche in materieller Hinsicht noch hängig ist. Die Vorinstanz hat diese in Anlehnung an die Ausführungen der WEKO gruppiert; diese Gruppierung ist von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Passagen, welche in den Erwägungen 8.3 und 8.4 des Urteils vom 15. Oktober 2014 des Bundesverwaltungsgerichts aufgelistet sind, hat dieses mit Ziff. 1 des Dispositivs im Sinne der Beschwerdeführerin geändert. Die Beschwerdeführerin hat sodann gegen die in E. 8.5 des vorinstanzlichen Urteils als rechtlich korrekt befundene Bekanntgabe von Arbitragepotenzialen keine Beschwerde eingelegt, wie sich ausdrücklich aus den Bemerkungen zu Rz. 408 (der Verfügung) der Beschwerdebeilage ergibt.
2.2. Die erste Gruppierung umfasst Aussagen, welche den Vorinstanzen dazu dienten, die...

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