Urteil Nº 2C 653/2018 Bundesgericht, 26-07-2019

Judgement Number2C 653/2018
Date26 juillet 2019
Subject MatterRechtshilfe und Auslieferung Amtshilfe DBA (CH-FR)
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
2C_653/2018
Urteil vom 26. Juli 2019
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Seiler, Präsident,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Bundesrichter Stadelmann,
Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Seiler.
Verfahrensbeteiligte
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI, Eigerstrasse 65, 3003 Bern,
Beschwerdeführerin,
gegen
UBS Switzerland AG,
vertreten durch Dr. Andreas Länzlinger und Dr. Roman Huber, Rechtsanwälte,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Amtshilfe DBA (CH-FR),
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 30. Juli 2018 (A-1488/2018).
Sachverhalt:
A.
A.a. Am 11. Mai 2016 sandte die Direction Générale des Finances Publiques (DGFP) ein Amtshilfeersuchen an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV). Laut ihrem Ersuchen stützte sich die DGFP auf Art. 28 des Abkommens vom 9. September 1966 zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (DBA CH-FR, SR 0.672.934.91) sowie die Vereinbarung vom 25. Juni 2014 über die Änderung des Zusatzprotokolls zum revidierten Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. September 1966 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht (nachfolgend: "Vereinbarung 2014", AS 2016 1195; teilweise wiedergegeben unter SR 0.672.934.91). Vom Ersuchen betroffen seien gewisse, mutmasslich in Frankreich steuerpflichtige Personen, die anhand einer dem Ersuchen beigelegten Liste identifizierbar seien. Als Informationsinhaberin in der Schweiz nannte die DGFP die UBS AG (heute: UBS Switzerland AG). Die Informationen sollten laut der DGFP der Erhebung der französischen Einkommenssteuer ("impôt sur le revenu") für die Steuerjahre 2010 - 2014 und der Solidaritätssteuer auf Vermögen ("impôt de solidarité sur la fortune") für die Steuerjahre 2010 - 2015 dienen.
A.b. Gemäss der DGFP lag dem Ersuchen folgender Sachverhalt zugrunde:
A.b.a. Eine von der Staatsanwaltschaft Bochum geleitete Untersuchung und die Durchsuchung der deutschen Zweigniederlassungen der UBS im Mai 2012 und im Juli 2013 hätten zur Beschlagnahme von Daten über französische Steuerpflichtige geführt, die eine Verbindung mit bei der UBS in der Schweiz eröffneten Konten aufgewiesen hätten. Unter Berufung auf die Richtlinie Nr. 2011/16/EU hätte die französische Steuerverwaltung daraufhin mit Schreiben vom 20. April 2015 von der deutschen Steuerverwaltung verlangt, dass ihr diese Informationen mitgeteilt würden. Die deutsche Steuerverwaltung habe ihr am 3. Juli 2015 Folgendes übermittelt:
-eine Liste A von Konten mit genauer Identifikation der damit verbundenen Steuerpflichtigen (1'130 Konten), die alle einen Domizilcode für Frankreich aufgewiesen hätten;
- zwei Listen betreffend die Jahre 2006 (Liste B) und 2008 (Liste C) mit Kontoangaben, die alle mit dem Domizilcode für Frankreich aufgeführt seien. Insgesamt würden diese Listen über 45'161 unterschiedliche Kontonummern beinhalten.
Die Vermögenswerte, die diese Listen auswiesen, würden sich auf über Fr. 11 Mia. belaufen, was laut der DGFP Mindereinnahmen von mehreren Milliarden Euro für den französischen Fiskus bedeuten könnte.
A.b.b. Gemäss Art. 1949 A des französischen Steuergesetzes ("Code général des impôts") müssten in Frankreich steuerlich ansässige Personen ihre im Ausland eröffneten Bankkonten deklarieren. Ebenso müssten sie die Einkünfte aus französischen und ausländischen Quellen sowie in Frankreich und im Ausland vorhandenes Vermögen deklarieren. Sodann würden jene Personen, die in die Rechte und Pflichten der vorgenannten Steuerpflichtigen eingetreten seien, auf unbestimmte Zeit für deren Steuerschulden haften. Zahlreiche Hinweise liessen vermuten, dass gewisse französische Steuerpflichtige diesen Steuerpflichten nicht nachgekommen seien.
Frankreich habe im Jahr 2013 eine Regularisierungsstelle für nicht deklarierte Finanzvermögen eingerichtet. Diese habe seit ihrer Errichtung mehr als 45'000 Gesuche und EUR 5.5 Mia. an Steuern und Strafzahlungen entgegen genommen bzw. eingenommen. Überdies habe die Analyse der Regularisierungsgesuche gezeigt, dass 91% davon Finanzvermögen bei Schweizer Finanzinstituten betreffen würden. Unter diesen Finanzinstituten befinde sich die Bank UBS. Bisher seien 7'858 ursprünglich gegenüber der französischen Steuerverwaltung nicht deklarierte UBS-Konten durch französische Steuerpflichtige regularisiert worden.
A.b.c. Ausserdem seien gegen die Bank UBS AG in Frankreich im Juni 2013 und im Juli 2014 Untersuchungen wegen unlauteren Bank- oder Finanzgebarens ("démarchage bancaire ou financier illicite") bzw. wegen Geldwäscherei in einem schweren Fall mit Vortat des Steuerbetrugs ("blanchiment aggravé de fraude fiscale") eingeleitet worden. Gegen UBS France SA seien derweil im Jahr 2013 wegen Beihilfe zu unlauterem Bank- oder Finanzgebaren ("complicité de démarchage bancaire ou financier illicite") und im Jahr 2015 wegen Beihilfe zu Geldwäscherei in einem schweren Fall mit Vortat des Steuerbetrugs ("complicité de blanchiment aggravé de fraude fiscale") Untersuchungen eingeleitet worden. Es sei zu beachten, dass die Zeiträume, aus denen die übermittelten Listen stammten (2006 und 2008), mitten in die Periode fallen, für welche die UBS verdächtigt werde, ein umfassendes Steuerfluchtsystem aufgebaut zu haben. In diesem Zusammenhang sei es zwingend an der französischen Steuerverwaltung, systematische Kontrollen der Informationen vorzunehmen, welche von der deutschen Steuerverwaltung geliefert worden seien.
A.b.d. In Bezug auf die Liste von Bankkonten, welche französische Steuerpflichtige direkt identifizierte (Liste A), hätten die Nachforschungen der französischen Steuerverwaltung ergeben, dass nahezu alle Betroffenen (97%) tatsächlich in Frankreich steuerlich ansässig gewesen seien. Die Vermutung der französischen Steuerverwaltung habe sich somit bestätigt.
Es sei bereits eine erste Reihe von Steuerprüfungen hinsichtlich der Liste A eingeleitet worden, die ungefähr einen Drittel der Konten auf dieser Liste betreffe. Die Ergebnisse belegten die Verlässlichkeit der Liste und das Vorliegen von Betrug. Die ersten Ergebnisse, die sich auf die Hälfte der eingeleiteten Steuerprüfungen bezögen, liessen erkennen, dass die Steuerpflichtigen entweder anerkannt hätten, ein undeklariertes Konto gehalten zu haben oder dass sie ihre Situation seither bei der Regularisierungsstelle geregelt hätten.
Was die anonymen Bankkonten (Listen B und C) betreffe, so habe die französische Steuerverwaltung diese abgeglichen mit:
- den Daten (Kontonummern), die sie von der ESTV im Rahmen des bilateralen Zinsbesteuerungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Schweiz (Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind [SR 0.641.926.81; ZBstA]; neuer Titel seit 1. Januar 2017: Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Union über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten [AIA CH-EU; AS 2016 5003]) erhalten habe;
- den Kontonummern der Steuerpflichtigen, die ihre Steuersituation im Rahmen der Regularisierungsprogramme vom April 2009 und vom Juni 2013 bei der französischen Steuerverwaltung regularisiert hätten;
- Informationen, die sie im Rahmen der internationalen Amtshilfe von der Schweiz erhalten habe.
Die Abgleiche hätten 4'782 von der französischen Steuerverwaltung bereits identifizierte Kontonummern ergeben, was über 10% der Konten auf den Listen B und C entspreche. Es habe sich erwiesen, dass alle der identifizierten Konten tatsächlich mit in Frankreich steuerlich ansässigen Personen verbunden gewesen seien. Diese Kontonummern seien vom vorliegenden Ersuchen ausgenommen worden, da ihre Inhaber bereits identifiziert worden seien. Demnach habe die französische Steuerbehörde alle ihre innerstaatlichen Untersuchungsmittel ausgeschöpft.
A.b.e. Nach Abschluss der geschilderten Nachforschungen, welche die Vermutung erhärtet hätten, dass die Konten tatsächlich mit französischen Steuerpflichtigen verbunden seien, verblieben 40'379 Bankkonten, die mittels Amtshilfe zu identifizieren seien. In Anbetracht des dargelegten Sachzusammenhangs betreffend in der Schweiz gehaltener Guthaben mutmasslicher französischer Steuerpflichtiger bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein Teil der nicht identifizierten Konten der Listen B und C nicht deklariert worden sei. Somit dränge sich eine systematische Kontrolle sämtlicher Personen auf, die mit den Konten verbunden seien, um herauszufinden, ob ihre Steuerpflichten erfüllt worden seien. Die Identifizierung der Personen, die mit den Konten verbunden seien, sei unabdingbar, damit die französische Steuerverwaltung diese Kontrolle vornehmen könne.
Unter diesen Voraussetzungen seien die ersuchten Informationen zwecks Identifizierung der mutmasslichen Steuerpflichtigen, die im Zusammenhang mit diesen Konten stünden, voraussichtlich erheblich zur Durchsetzung der französischen Steuergesetzgebung.
A.b.f. Gestützt auf den vorstehenden Sachverhalt ersuchte die DGFP die ESTV um die Übermittlung der folgenden Informationen:
a) Namen/Vornamen, Geburtsdaten und letzte bekannte Adressen gemäss Bankunterlagen
a.I.a. des Kontoinhabers bzw. der Kontoinhaber,
a.I.b. der wirtschaftlich berechtigten Person bzw. Personen gemäss Formular A,
a.I.c...

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