Urteil Nº 1C 37/2019 Bundesgericht, 05-05-2020
Judgement Number | 1C 37/2019 |
Date | 05 mai 2020 |
Subject Matter | Ökologisches Gleichgewicht Verfügung über Realakte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz |
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
1C_37/2019
Urteil vom 5. Mai 2020
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Chaix, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Kneubühler,
Bundesrichterin Jametti, Bundesrichter Haag,
Gerichtsschreiber Baur.
Verfahrensbeteiligte
1. Verein KlimaSeniorinnen Schweiz,
2. A.________,
3. B.________,
4. C.________,
5. D.________,
Beschwerdeführende,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Martin Looser,
und Rechtsanwältin Cordelia Bähr,
gegen
Eidgenössisches Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation,
Generalsekretariat.
Gegenstand
Verfügung über Realakte im Zusammenhang
mit dem Klimaschutz,
Beschwerde gegen das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
vom 27. November 2018 (A-2992/2017).
Sachverhalt:
A.
Mit Eingabe vom 25. November 2016 gelangten der Verein KlimaSeniorinnen Schweiz sowie A.________, B.________, C.________ und D.________ an den Bundesrat, das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK, das Bundesamt für Umwelt BAFU und das Bundesamt für Energie BFE. Sie rügten verschiedene Unterlassungen im Bereich des Klimaschutzes und ersuchten um den Erlass einer Verfügung über Realakte. Die angeschriebenen Behörden hätten in ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen über die Einstellung der gerügten Unterlassungen zu entscheiden. Zudem hätten sie alle Handlungen zu veranlassen, die - bis zum Jahr 2030 - erforderlich seien, damit die Schweiz ihren Beitrag an das Ziel des Klimaübereinkommens von Paris vom 12. Dezember 2015 (SR 0.814.012; nachfolgend: Pariser Klimaübereinkommen) leiste, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, bzw. eventuell an das Ziel einer Beschränkung der globalen Erwärmung auf 2 Grad Celsius. Die konkret verlangten Massnahmen listeten die Gesuchstellenden in nicht abschliessender Weise in vier umfangreichen Begehren auf. Sie beantragten, das Reduktionsziel gemäss Art. 3 Abs. 1 des CO2-Gesetzes vom 23. Dezember 2011 (SR 641.71) sei zu korrigieren und hierzu ein Vorverfahren der Gesetzgebung auszulösen mit dem Ziel der gesetzlichen Verankerung eines verfassungs-, gesetzes- und völkerrechtskonformen Emissionsreduktionsziels. Hierbei habe der Bundesrat den Gesetzgeber und die Öffentlichkeit in genügender Weise über die Notwendigkeit eines Reduktionsziels von mindestens 25 % bis zum Jahr 2020 zu informieren. Zur Erreichung dieses Ziels seien die erforderlichen Emissionsreduktionsmassnahmen zu ergreifen, wie etwa die Förderung von Elektromobilität, der Erlass baupolizeilicher Vorschriften im Sektor Gebäude, die Einführung einer CO2-Abgabe auf Treibstoffe, und die Landwirtschaft sei mit einzubeziehen. Ferner sei ein Vorverfahren der Gesetzgebung einzuleiten und für das Jahr 2030 ein Reduktionsziel von mindestens 50 % gegenüber 1990 sowie die hierfür erforderlichen Massnahmen vorzuschlagen und zu empfehlen. Schliesslich seien die heute bereits gesetzlich vorgesehenen Massnahmen und Handlungspflichten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen konsequent umzusetzen, damit das gesetzlich verankerte Reduktionsziel bis ins Jahr 2020 erreicht werden könne. Hierzu gehörten etwa die Pflicht zur jährlichen Berichterstattung der Kantone über ihre Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen von Gebäuden und der Erlass von Gebäudestandards, zusätzliche Massnahmen bei Verfehlung des Zwischenziels im Sektor Gebäude einschliesslich der Erhöhung der CO2-Abgabe auf Brennstoffe, Massnahmen zur Messung der tatsächlichen CO2-Emissionen von Neuwagen, Massnahmen zur Verminderung der CO2-Emissionen von Fahrzeugen bei Verfehlung des Zwischenziels im Sektor Verkehr wie etwa die Förderung der Elektromobilität und die Erhöhung des Kompensationssatzes zur Kompensation der CO2-Emissionen aus Treibstoffen. Die Wirksamkeit der Massnahmen sei zu überprüfen. Nötigenfalls habe das UVEK dem Bundesrat weitere wirksame Massnahmen vorzuschlagen. Mit einem ergänzenden Eventualbegehren beantragten die Gesuchstellenden die Feststellung der Widerrechtlichkeit der gerügten Unterlassungen. Mit Verfügung vom 25. April 2017 trat das Departement für sämtliche angeschriebenen Behörden auf das Gesuch nicht ein.
B.
Gegen diesen Entscheid gelangten die Gesuchstellenden an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Urteil vom 27. November 2018 wies dieses ihr Rechtsmittel ab.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 21. Januar 2019 an das Bundesgericht beantragen die Gesuchstellenden, den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung an das Departement, eventuell zur Neubeurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
Das Departement und das Bundesverwaltungsgericht haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Gesuchstellenden haben zusätzliche Dokumente eingereicht, sich ansonsten aber nicht mehr geäussert.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein Endentscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (vgl. Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. a und Art. 90 BGG ); ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerinnen 2-5 haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, sind durch das angefochtene Urteil besonders berührt und haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung. Sie sind somit nach Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Auch sonst steht einem Eintreten auf ihre frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde nichts entgegen. Ob der Beschwerdeführer 1 nach den Regeln über die egoistische Verbandsbeschwerde zur Beschwerdeführung legitimiert ist, weil eine grosse Zahl seiner Mitglieder 75 Jahre alt oder älter ist - wie die Beschwerdeführenden vorbringen -, kann damit offen bleiben (vgl. Urteil 1C_154/ 2014 vom 21. November 2014 E. 1.3). Die nachfolgenden Erwägungen beschränken sich entsprechend auf die Beschwerdeführerinnen 2-5 (nachfolgend: Beschwerdeführerinnen). Sie gelten aber auch für die Mitglieder des Beschwerdeführers 1 ab 75 Jahren.
2.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG ). Das Bundesgericht wendet dieses Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft die bei ihm angefochtenen Entscheide aber grundsätzlich nur auf Rechtsverletzungen hin, welche die beschwerdeführende Person vorbringt und begründet (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Erhöhte Anforderungen an die Begründung gelten, soweit die Verletzung von Grundrechten gerügt wird (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil weiter den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, er sei offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich, oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG ). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen (Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG).
3.
3.1. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet in erster Linie die Frage, ob der Entscheid der Vorinstanz Art. 25a VwVG, Art. 6 Ziff. 1 EMRK oder Art. 13 EMRK verletzt. Auf die diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerinnen ist - soweit erforderlich - im Rahmen der materiellen Behandlung der Beschwerde einzugehen (vgl. hinten E. 5-7). Vorab zu prüfen sind die Rügen der Beschwerdeführerinnen, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Gehörsverletzung des Departements verneint und auch selber ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMKR verletzt.
3.2. Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil erklärt, die Begründung des Departements sei im Vergleich mit den Ausführungen der Beschwerdeführerinnen kurz und allgemein gehalten. Sie enthalte aber die wesentlichen Überlegungen, von denen sich das Departement habe leiten lassen, und die Beschwerdeführerinnen seien in der Lage gewesen, die Verfügung sachgerecht anzufechten. Eine Verletzung der Begründungspflicht und damit des Gehörsanspruchs der Beschwerdeführerinnen liege nicht vor.
Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Eine Behörde muss sich in ihrem Entscheid nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und diesen in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (zum Ganzen: BGE 143 III 65 E. 5.2 S. 70 f. mit Hinweisen). Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Departements, weshalb die Vorinstanz eine Verletzung der Begründungspflicht und des Anspruchs auf rechtlichen Gehörs verneinen durfte. Es ist auch nicht zu erkennen, inwiefern die Verfügung des UVEK aufgrund ihrer Knappheit keine rationelle Entscheidfindung ermöglicht und damit den Zweck der Selbstkontrolle verfehlt hätte. Die Beschwerdeführerinnen können auch aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK - ungeachtet der Frage, inwieweit diese Bestimmung vorliegend zur Anwendung kommt - nichts zu ihren Gunsten ableiten (vgl. Urteil des EGMR Dulaurans gegen Frankreich vom 21. März 2000 §§ 33 ff.; MEYER-LADEWIG/HARRENDORF/KÖNIG, in: EMRK, Handkommentar, 4. Aufl. 2017 [nachfolgend: Handkommentar EMRK], Art. 6 N. 105), zumal diese Bestimmung in Bezug auf die behördliche Begründungspflicht keine weitergehenden Ansprüche vermittelt als Art. 29 Abs. 2 BV.
3.3. Die Beschwerdeführerinnen rügen, auch die Begründung der Vorinstanz sei ungenügend und damit gehörsverletzend. Die Vorinstanz habe sich zwar ausführlich generell-abstrakt zu Art. 25a VwVG sowie Art. 6 Ziff. 1 und Art. 13 EMRK geäussert. Sie habe ...
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