Arrêt de Chambre d'accusation, 15 juillet 1991

ConférencierPublié
Date de Résolution15 juillet 1991
SourceChambre d'accusation

Chapeau

117 IV 209

39. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 15. Juli 1991 i.S. Y. gegen Bundesamt für Polizeiwesen

Faits à partir de page 210

BGE 117 IV 209 S. 210

A.- Das Bundesamt für Polizeiwesen (im folgenden: Bundesamt) verfügte auf Ersuchen von Interpol Ankara vom Januar 1990 am 17. August 1990 die provisorische Auslieferungshaft gegen den türkischen Staatsangehörigen Y.; der Auslieferungshaftbefehl stützte sich auf einen durch die Justizbehörden in Adiyaman, Türkei, ausgestellten Haftbefehl vom 22. Juni 1981. Gemäss einem ersten Fahndungsersuchen vom 17. Oktober 1989 von Interpol Ankara wurden Y. Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, Mord, bewaffneter Raub und ein Bombenanschlag zur Last gelegt und vorgeworfen, auf ein Polizeifahrzeug geschossen und dabei einen Polizisten verletzt zu haben.

Die Anklagekammer des Bundesgerichts wies eine gegen den Auslieferungshaftbefehl gerichtete Beschwerde am 7. September 1990 ab, soweit sie darauf eintrat. Der Entscheid wurde noch am selben Tag versandt; da es sich um einen Freitag handelte, traf er erst am darauffolgenden Montag, dem 10. September 1990, beim Bundesamt ein.

B.- Mit diplomatischer Note vom 4. September 1990, die beim Bundesamt am 5. September 1990 einging, reichte die türkische Botschaft das formelle Auslieferungsersuchen mit den gemäss Art. 41 IRSG erforderlichen Unterlagen ein.

Zur Beschleunigung des Verfahrens hatte das Bundesamt am 24. August 1990 beim Vertreter von Y. eine von diesem unterschriebene Erklärung verlangt, wonach er sich mit der Zustellung der das Asylverfahren betreffenden Akten aus Deutschland an das Bundesamt einverstanden erkläre. Eine Kopie der verlangten Erklärung wurde per Telefax am 5. September dem Bundesamt übermittelt. Das Original der Erklärung ging am 11. September 1990 beim Bundesamt ein.

Die Prüfung des formellen Auslieferungsbegehrens durch das Bundesamt ergab, dass Y. die ihm zur Last gelegten Straftaten im Rahmen seiner politischen Tätigkeit innerhalb der Organisation KAWA (die für die Bildung eines unabhängigenBGE 117 IV 209 S. 211

sozialistischen Kurdenstaates eintritt) begangen hatte. Da nach ständiger Praxis für solche "relativ politischen Delikte", die nach den Umständen, namentlich nach den Beweggründen und Zielen des Täters, einen vorwiegend politischen Charakter haben, die Auslieferung nicht gewährt werden kann (vgl. dazuBGE 109 Ib 71 E. 6a), wies das Bundesamt mit Entscheid vom 12. September 1990 das Auslieferungsbegehren ab. Gleichentags wurde Y. freigelassen.

Am 14. September 1990 teilte das Bundesamt dem Vertreter von Y. zur Bestätigung einer entsprechenden telefonischen Mitteilung vom 12. September 1990 die Gründe für die Ablehnung der Auslieferung kurz mit. Gleichzeitig erklärte es sich bereit, Y. für das Auslieferungsverfahren unentgeltlichen Rechtsbeistand zu gewähren, und ernannte Advokat S. als amtlichen Rechtsbeistand.

C.- Mit Eingabe vom 27. September 1990 verlangte der Vertreter von Y. beim Bundesamt für Polizeiwesen eine formelle Verfügung für die Einstellung des Auslieferungsverfahrens; weiter wollte er Einsicht nehmen in das formelle Auslieferungsersuchen sowie die diplomatische Note an die türkische Botschaft; schliesslich machte er unter dem Titel "ungerechtfertigte Haft" (vom 17. August bis 12. September 1990) - der Haftbefehl sei offensichtlich unberechtigt gewesen - eine Genugtuung von Fr. 100'000.-- sowie Schadenersatz in noch zu bezeichnender Höhe geltend; für seine anwaltlichen Bemühungen stellte er dem Bundesamt einen Betrag von Fr. 4'701.-- in Rechnung.

Am 17. Oktober 1990 machte der Vertreter von Y. beim Bundesamt Schadenersatz in Höhe von Fr. 3'000.-- geltend; darin enthalten sei ein Betrag von Fr. 1'500.--, welcher seinem Mandanten wegen der Haft nicht ausbezahlt worden sei; dessen Ehefrau habe zudem infolge der Verhaftung ihres Ehemannes einen "stressbedingten Zusammenbruch" erlitten und deswegen im Stadtkrankenhaus R. vom 22. August bis 29. August 1990 stationär behandelt werden müssen.

D.- Mit Entscheid vom 26. November 1990 hiess das Bundesamt das Gesuch um Einsicht in das formelle Auslieferungsersuchen gut; eine weitergehende Akteneinsicht lehnte es ab; ebenfalls abgelehnt wurden die Gesuche um Ausrichtung von Geldleistungen wegen erlittener Auslieferungshaft sowie um Ersatz des Anwaltshonorars.

E.- Mit Beschwerde vom 28. Dezember 1990 beantragt Y. die vollumfängliche Aufhebung des Entscheides des Bundesamtes.

BGE 117 IV 209 S. 212

Auf die speziellen Rechtsbegehren wird in der Begründung zurückzukommen sein.

Das Bundesamt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

In einem zweiten Schriftenwechsel hielten die Parteien an ihren Standpunkten fest.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

    1. Das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Verfahren fällt in den Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen; anwendbar ist somit das Rechtshilfegesetz (IRSG; SR 351.1).

    2. Verfügungen des für die Behandlung von Auslieferungsersuchen zuständigen (Art. 17 Abs. 2 IRSG) Bundesamtes unterliegen gemäss Art. 25 IRSG, soweit das Rechtshilfegesetz nichts anderes bestimmt, der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unmittelbar ans Bundesgericht; zuständig zu deren Behandlung ist die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts. Ein anderes Rechtsmittel ist somit nur gegeben, wenn das IRSG dies ausdrücklich bestimmt.

    3. In Abweichung von der grundsätzlichen Rechtsmittelzuständigkeit gemäss Art. 25 IRSG erklärt das Rechtshilfegesetz ausnahmsweise die Anklagekammer des Bundesgerichts für zuständig; es betrifft dies

      - Beschwerden gegen den Auslieferungshaftbefehl (Art. 47 f.),

      - Entschädigungsbegehren für ungerechtfertigte Haft (Art. 15 IRSG durch Verweisung auf die entsprechenden eidgenössischen...

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