Arrêt de Ire Cour de Droit Public, 22 décembre 1981

ConférencierPublié
Date de Résolution22 décembre 1981
SourceIre Cour de Droit Public

Chapeau

107 Ia 292

59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Dezember 1981 i.S. Nyffeler gegen Einwohnergemeinde Graben und Regierungsrat des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)

Faits à partir de page 293

BGE 107 Ia 292 S. 293

A.- Am 20. Dezember 1978 erliess die Gemeindeversammlung von Graben ein Reglement über die Benutzung des öffentlichen Grundes für Veranstaltungen. Die Polizeidirektion des Kantons Bern genehmigte das Reglement mit Beschluss vom 19. September 1979 unter Streichung zweier Bestimmungen. Rudolf Nyffeler, ein Einwohner der Gemeinde Graben, zog den Entscheid an den Regierungsrat weiter. Dieser hiess am 30. Juni 1981 die Beschwerde teilweise gut und formulierte demgemäss eine Bestimmung neu, nämlich diejenige betreffend das Verbot von Veranstaltungen auf öffentlichem Grund an Feiertagen (Art. 4 des Reglementes); im übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

Rudolf Nyffeler führt gegen den Entscheid des Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit, der persönlichen Freiheit, der Pressefreiheit und des Art. 4 BV. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

    1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Kantone die über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung des öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken einer Bewilligungspflicht unterstellen dürfen. Auch wird nicht geltend gemacht, dem angefochtenen Reglement fehle eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Die Beschwerde richtet sich vielmehr gegen einzelne Bestimmungen, die als eine unzulässige Einschränkung der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit (in einem Falle auch der Pressefreiheit) betrachtet werden. Der Rüge der Verletzung von Art. 4 BV im Sinne einer Missachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit kommt daneben keine selbständige Bedeutung zu. Dasselbe gilt für den Vorwurf der Verletzung des ungeschriebenen verfassungsmässigen Rechtes der persönlichen Freiheit, das seinen Anwendungsbereich ausschliesslich dort findet, wo die in der Bundesverfassung ausdrücklich gewährleisteten Grundrechte nicht ausreichen (BGE 104 Ia 39 /40).

      BGE 107 Ia 292 S. 294

    2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts, welche in der vorliegenden Beschwerde nicht in Frage gestellt wird, besteht nach schweizerischem Verfassungsrecht keine unbeschränkte Demonstrationsfreiheit in dem Sinne, dass öffentlicher Grund vorbehaltlos zu politischen Zwecken zur Verfügung gestellt werden müsste. Einschränkende Bestimmungen der Kantone und der Gemeinden sind zulässig, soweit sie Polizeigüter wie namentlich die Sicherheit und das Ruhebedürfnis der Einwohner und den öffentlichen Verkehr zu schützen bestimmt sind. Auch andere öffentliche Interessen, wie beispielsweise eine zweckmässige Nutzung der öffentlichen Anlagen zugunsten der Allgemeinheit, dürfen berücksichtigt werden. Doch ist die Behörde bei der Beurteilung solcher Fragen nicht nur an das Willkürverbot und an den Grundsatz der Rechtsgleichheit gebunden. Sie hat darüber hinaus den besonderen ideellen Gehalt der Freiheitsrechte, um deren Ausübung es geht, in die Interessenabwägung einzubeziehen. Insoweit entfalten die Meinungsäusserungs- und die Versammlungsfreiheit ihre Wirkungen auch bei Betätigungsformen, die mit gesteigertem Gemeingebrauch verbunden sind. Die Behörde hat demnach die sich entgegenstehenden Interessen nach objektiven Gesichtspunkten gegeneinander abzuwägen und dabei dem legitimen Bedürfnis, Veranstaltungen mit Appellwirkung an die Öffentlichkeit durchführen zu können, angemessen Rechnung zu tragen. Das Bundesgericht prüft grundsätzlich frei, ob ein angefochtener Erlass oder Entscheid mit diesen verfassungsrechtlichen Grundsätzen vereinbar sei. Es setzt jedoch nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen der zuständigen kantonalen und kommunalen Behörden, und es übt Zurückhaltung, wo es um die Würdigung der besonderen örtlichen Verhältnisse geht (BGE 107 Ia 66 f.;BGE 105 Ia 21 E. 4, 94 E. 3;BGE 103 Ia 312 E. 3b;BGE 102 Ia 53 f. E. 3;BGE 100 Ia 402 f. E. 5 mit weiteren Hinweisen).

    3. Im vorliegenden Fall geht es nicht um einschränkende Anordnungen in einer Verfügung, sondern um solche in einem Erlass. In derartigen Fällen gelten hinsichtlich der Überprüfung durch das Bundesgericht zunächst die nämlichen Gesichtspunkte (BGE 102 Ia 53). Indessen kommt es im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle einzig darauf an, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie als mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt die angefochtene Vorschrift grundsätzlich nur dann auf, wenn sie sich jederBGE 107 Ia 292 S. 295

      verfassungskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich ist (BGE 106 Ia 137 E. 3a;BGE 104 Ia 99 f. E. 9, 249 f. E. 4c mit Hinweisen).

      Der Beschwerdeführer will diese Auslegungsregel hier nicht oder doch nicht uneingeschränkt gelten lassen. Er glaubt, gerade in einer kleinen Landgemeinde, deren Verwaltung keine juristisch gebildeten Mitarbeiter zur Verfügung stünden, bestehe die Gefahr, dass Vorschriften, die der Behörde eine erhebliche Entscheidungsfreiheit lassen, verfassungswidrig interpretiert werden könnten. An ein Reglement für die 297 Einwohner zählende Gemeinde Graben seien daher hinsichtlich der Genauigkeit der einzelnen Bestimmungen höhere Anforderungen zu stellen als etwa an ein solches der Stadt Zürich über den gleichen Gegenstand. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf das in BGE 106 Ia 136 ff...

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