Arrêt de Ire Cour de Droit Public, 3 juin 1981

ConférencierPublié
Date de Résolution 3 juin 1981
SourceIre Cour de Droit Public

Chapeau

107 Ia 138

27. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Juni 1981 i.S. P. und Mitbeteiligte gegen Untersuchungs- und Polizeiorgane sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde)

Faits à partir de page 138

A.- In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1980 fand in Basel eine nicht bewilligte Demonstration statt. In diesem Zusammenhang wurden insgesamt 65 Personen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen, darunter P., L., W. und B. Diese vier Personen mussten sich einer sogenannten erkennungsdienstlichen BehandlungBGE 107 Ia 138 S. 139

unterziehen, die aus der Aufnahme von Fotografien, der Erstellung eines Signalementes und der Abnahme von Fingerabdrücken bestand. Nach vier bis sechs Stunden wurden sie entlassen.

P., L., W. und B. erhoben je einzeln beim Ersten Staatsanwalt des Kantons Basel-Stadt Einsprache sowohl gegen ihre Festnahme als auch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung. Der Erste Staatsanwalt erliess am 9., 12. und 15. September 1980 in allen vier Fällen im wesentlichen übereinstimmende Entscheide. Er hiess die Einsprachen insoweit gut, als er feststellte, dass der Weiterbestand der über die Einsprecher angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht ausreichend begründet erscheine und das Material daher gesamthaft zu vernichten sei. Im übrigen wies er die Einsprachen ab. Der Staatsanwalt hielt dafür, sowohl die vorläufige Festnahme als auch die erkennungsdienstliche Behandlung sei nach der Sachlage, wie sie sich in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1980 dargestellt habe, zulässig gewesen. Dagegen rechtfertige es sich nach dem Stand der Erhebungen im Zeitpunkt des Einspracheentscheides nicht, die erkennungsdienstlichen Unterlagen über die vier genannten Personen weiter bestehen zu lassen.

Gegen die erwähnten Entscheide des Ersten Staatsanwaltes führen P., L., W. und B. je einzeln staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

2. Der Einspracheentscheid des Ersten Staatsanwaltes konnte nicht an eine höhere kantonale Instanz weitergezogen werden. Die Voraussetzungen, unter denen gemäss Art. 86 Abs. 2 OG auf eine staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden kann, sind daher erfüllt. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 88 OG ist festzustellen, dass das nach dieser Vorschrift erforderliche aktuelle praktische Interesse an der Beschwerdeführung hier fehlt, da die beanstandeten Massnahmen schon längst vollzogen sind und das erkennungsdienstliche Material vernichtet wurde. Das Bundesgericht verzichtet indessen ausnahmsweise auf das genannte Erfordernis, wenn der gerügte Eingriff sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, so dass die Voraussetzung des aktuellen praktischen Interesses eine Kontrolle der Verfassungsmässigkeit faktisch verhindern würde (BGE 104 Ia 488;BGE 100 Ia 394 f. E. 1bBGE 107 Ia 138 S. 140

mit Verweisungen). Dies trifft hier zu, weshalb auf die Beschwerden eingetreten werden kann.

    1. Die Beschwerdeführer P., L. und W. beanstanden sowohl die polizeiliche Festnahme als auch die erkennungsdienstliche Behandlung, der Beschwerdeführer B. ficht lediglich die letztgenannte Massnahme an. Bei der polizeilichen Festnahme und der erkennungsdienstlichen Behandlung handelt es sich um zwei verschiedene Eingriffe; die erste Massnahme wäre durchaus auch ohne die zweite möglich gewesen. Die Frage nach der Zulässigkeit ist daher für beide Eingriffe getrennt zu beantworten. Vorerst ist zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführer P., L. und W. zu Recht über die Festnahme beklagen.

    2. Die Festnahme stellt einen Eingriff in die persönliche Freiheit dar. Die Beschwerdeführer machen in diesem Zusammenhang nicht nur eine Verletzung des ungeschriebenen Grundrechts der Verfassung geltend, sondern behaupten auch, die Massnahme verstosse gegen die EMRK. Nach der Rechtsprechung der Konventionsorgane ist es zum mindesten fraglich, ob die Garantie des Art. 5 EMRK überhaupt für Fälle gilt, in denen der Freiheitsentzug - wie hier - nur wenige Stunden dauert (vgl. dazu: TRECHSEL, Die Garantie der persönlichen Freiheit in der Strassburger Rechtsprechung, in: EuGRZ 1980, S. 517 f. mit Hinweisen). Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht geprüft zu werden, denn die Konvention gewährt in diesem Bereich dem Privaten keinen Schutz, der über den vom ungeschriebenen eidgenössischen Verfassungsrecht zugesicherten hinausginge.

    1. Das Bundesgericht prüft nach ständiger Rechtsprechung die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts bei Eingriffen in die persönliche Freiheit nur dann frei, wenn der Eingriff als schwer zu betrachten ist (BGE 105 Ia 29 E. 2a;BGE 101 Ia 53 E. 7 und 578 E. 3a;BGE 98 Ia 100 E. 2;BGE 97 I 52;BGE 90 I 39 E. 4). Eine Festnahme für die Dauer von vier bis sechs Stunden, wie sie hier angeordnet wurde, ist kein schwerer Eingriff, weshalb das...

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