Arrêt de Tribunal Fédéral, 27 novembre 1970

ConférencierPublié
Date de Résolution27 novembre 1970

Chapeau

96 IV 155

40. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichts vom 27. November 1970 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Lebedinsky und Mitbeteiligte.

Faits à partir de page 156

BGE 96 IV 155 S. 156

A.- Die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon (WO) ist seit ihrer Übernahme durch Vater Bührle ein Familienunternehmen, das bis Ende 1967 rechtlich eine Kommanditgesellschaft war und seither eine Aktiengesellschaft ist. Bührle besitzt 49%, seine Schwester 51% der Aktien. Er war bis 1969 einziges Verwaltungsratsmitglied.

Die WO umfasst je eine Fabrik- und eine Entwicklung/Konstruktionsabteilung sowie drei Verkaufsabteilungen. Zu diesen gehört auch die Waffen-Verkaufsabteilung. Jeder Abteilung steht ein Direktor vor. Von 1963 bis zu seiner Entlassung Ende Januar 1969 nahm Lebedinsky diesen Rang bei der Waffen-Verkaufsabteilung ein. Die WO erzielte in den Jahren 1964/1969 einen Gesamtumsatz von Fr. 896'653,000.--, wovon Fr. 539'992,000.-- auf die Waffen-Verkaufsabteilung entfielen.

B.- 1.- Nach Art. 41 BV bedarf einer Bewilligung des Bundes, wer Waffen oder sonstiges Kriegsmaterial herstellen, vertreiben und ausführen will. Die Bewilligung wird nur Personen und Unternehmungen erteilt, die vom Standpunkte der Landesinteressen aus die nötige Gewähr bieten (Abs. 2 und 3). Der Bundesrat ist unter Vorbehalt der Bundesgesetzgebung ermächtigt, die zum Vollzug nötigen Vorschriften zu erlassen (Abs. 4).

Gestützt auf diese Verfassungsbestimmung erliess der Bundesrat bereits in den Jahren 1938 bis 1946 wiederholt Vorschriften über Herstellung, Beschaffung und Vertrieb, Ein- und Ausfuhr von Kriegsmaterial. Diese Vorschriften sind durch den Bundesratsbeschluss vom 28. März 1949 über das KriegsmaterialBGE 96 IV 155 S. 157

(KMB) abgelöst worden, der mit einigen Abänderungen und Ergänzungen noch heute gilt.

Der Beschluss von 1949 stellt die Herstellung, die Beschaffung und den Vertrieb von Kriegsmaterial unter die Aufsicht des Bundes und verbietet insbesondere, solches Material auszuführen; vorbehalten bleiben ausdrücklich erteilte Bewilligungen (Art. 1). Wer beabsichtigt, Kriegsmaterial herzustellen, solches zu beschaffen, um es zu verkaufen, sonstwie zu vertreiben oder davon Lager anzulegen, hat eine Grundbewilligung des Eidg. Militärdepartementes einzuholen (Art. 7 Abs. 1 lit. a und b). Die Bewilligung wird nur gut beleumdeten und vertrauenswürdigen Personen und Unternehmen erteilt. Erforderlich ist zudem, dass die Personen oder Unternehmen für eine ordnungsgemässe Führung der Geschäfte Gewähr bieten und dass die Bewilligung weder den Interessen der Landesverteidigung oder des öffentlichen Wohls noch zwischenstaatlichen Vereinbarungen widerspricht (Art. 9 Abs. 4). Wer Kriegsmaterial herstellen will, bedarf ausserdem einer Fabrikationsbewilligung (Art. 13).

Die Ausfuhr von Kriegsmaterial ist nur gestattet, wenn sie von der zuständigen Amtsstelle bewilligt wird. Die Bewilligung setzt voraus, dass es sich um die Lieferung an eine ausländische Regierung oder an eine von einer solchen mit einem Fabrikationsauftrag betraute Firma handelt und dass eine Erklärung dieser Regierung vorliegt, wonach das Material nur für das eigene Land benötigt und nicht wieder ausgeführt wird (Art. 15 Abs. 2, Fassung gemäss BRB vom 23. Dezember 1960). Zum Beweise dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Gesuchsteller vom Bestimmungsland eine Endverbraucher-Erklärung zu verlangen und sie dem Ausfuhrgesuch beizulegen. Über das Gesuch entscheidet eine Amtsstelle des Militärdepartementes, in besonderen Fällen dieses Departement im Einvernehmen mit dem Politischen Departement. Entscheide über grundsätzliche Fragen sind dem Bundesrat vorbehalten (Art. 15 Abs. 1, Fassung gemäss BRB vom 23. Dezember 1960).

2.- Von diesem Entscheidungsrecht hat der Bundesrat wiederholt Gebrauch gemacht, indem er die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Ländern, in denen kriegerische Auseinandersetzungen stattfanden oder zu befürchten waren, schlechthin verbot oder für solche Länder bestimmtes Material mit einem Embargo belegte. Bereits am 8. November 1955 beschloss er,BGE 96 IV 155 S. 158

dass Israel und die Arabischen Staaten, zu denen auch Saudi-Arabien, Ägypten und der Libanon gehören, nicht mehr mit Kriegsmaterial aus der Schweiz beliefert werden dürfen und jedes neue Fabrikationsgesuch für Waffen nach diesen Ländern abzulehnen sei. Ähnliche Beschlüsse fasste er insbesondere am 6. Dezember 1963 gegenüber Südafrika, im Februar 1964 gegenüber Indonesien und Malaysia und am 28. April 1967 gegenüber Nigeria. Der Beschluss über Indonesien und Malaysia wurde im November 1966 aufgehoben.

C.- In der Zeit vom 6. Dezember 1963 bis Juni 1968 liessen Lebedinsky, Gelbert und Meili zusammen mit weitern leitenden Angestellten der Waffen-Verkaufsabteilung der WO sieben Staaten, welche unter Embargo-Beschlüsse des Bundesrates fielen, für insgesamt Fr. 88'919,904.-- Kriegsmaterial zukommen. Das sind etwa 16% vom Umsatz, den die Abteilung in dieser Zeit erzielte. Sie gingen im allgemeinen so vor, dass sie der zuständigen Amtsstelle ein Ausfuhrgesuch zur Bewilligung von Lieferungen an ein Land unterbreiteten, das nicht unter einem Embargo stand, und dem Gesuch eine Endverbraucher-Erklärung dieses Landes beilegten. War die Bewilligung erteilt, so liessen sie das Kriegsmaterial zum Scheine an das angegebene Land senden, unterwegs aber durch die Speditionsfirma nach dem Bestimmungsland umleiten. Die Weisung zur Umleitung gaben Meili oder Gelbert. Um die verbotenen Lieferungen innerhalb der WO möglichst geheim zu halten, wurden die Betriebsaufträge zur Herstellung oder Beschaffung des Materials sowie die Rechnungen für die Buchhaltung ebenfalls auf das Tarnland ausgestellt.

Falsche Endverbraucher-Erklärungen beizubringen, war Sache Gelberts, der viel ins Ausland reiste, Absatzmöglichkeiten zu ermitteln und Kunden nachzugehen hatte. Die meisten falschen Erklärungen verschaffte er sich in Frankreich; sie stammten angeblich von Beamten der "Délégation Ministérielle pour l'Armement" des französischen Armeeministeriums, vom "Etat-Major particulier" des französischen Verteidigungsministeriums oder ähnlicher Amtsstellen. Gelbert gab sie an Lebedinsky oder Meili weiter, die gestützt auf die falschen Erklärungen die Ausfuhrgesuche vorbereiten liessen. Die Gesuche unterzeichnete in der Regel Meili zusammen mit Seidemann, vereinzelt auch Lebedinsky, Gelbert oder Rubli zusammen mit je einem weiteren Angestellten der WO. Mit ihrer Teilnahme anBGE 96 IV 155 S. 159

den verbotenen Lieferungen und deren Umfang verhielt es sich im einzelnen wie folgt:

1.- Südafrika bestellte in den Jahren 1961/1963 bei der WO 36 Zwillingsgeschütze 35 mm, 119'200 Schuss 35 mm und 415'130 Schuss 30 mm Munition. Davon waren am 6. Dezember 1963, als der Bundesrat das Embargo gegen Südafrika beschloss, 28 Geschütze und 216'000 Schuss 30 mm Munition noch nicht geliefert; dieses Kriegsmaterial fiel daher unter die Ausfuhrsperre. Um es gleichwohl ausführen und weiteren Bestellungen Südafrikas nachkommen zu können, verschaffte Gelbert sich im Einvernehmen mit Lebedinsky vier falsche Endverbraucher-Erklärungen aus Frankreich. Mit Hilfe dieser Erklärungen täuschten sie den Bundesbehörden in 13 inhaltlich ebenfalls falschen Ausfuhrgesuchen vor, das darin aufgeführte Kriegsmaterial sei für Frankreich bestimmt. Eines der Gesuche hat Lebedinsky, zehn haben Seidemann und elf Meili mitunterzeichnet.

Die Bundesbehörden liessen sich täuschen und bewilligten die Ausfuhr. Auf diese Weise erhielt Südafrika von der WO in der Zeit vom 9. April 1964 bis 28. März 1968 Kriegsmaterial für Fr. 54'243,245.--, insbesondere 36 Zwillingsgeschütze 35 mm, 325'000 Schuss 35 mm und 380'985 Schuss 30 mm Munition.

Bührle selbst erfuhr angeblich erst anfangs Juli 1965 durch Dr. Blättler, den Rechtsberater der Oerlikon-Bührle Holding AG, von verbotenen Lieferungen nach Südafrika. Er will daraufhin angeordnet haben, dass dieses Land nicht mehr aus der Schweiz, sondern nur noch aus einer Fabrik im Ausland beliefert werde.

Als Ende 1968 gegen Angestellte der WO ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, liess Lebedinsky eine Anzahl Kaufverträge, welche die WO mit Südafrika geschlossen hatte, sowie schriftliche Bestellungen dieses Landes vernichten.

2.- Am 5. und 9. September 1964 lieferten Rubli und Meili Malaysia 10 Geschütze 20 mm. Auf Weisung Lebedinskys benutzten sie dazu eine auf Indonesien lautende echte Ausfuhrbewilligung, die mehrmals verlängert, für dieses Land aber nicht verwendet wurde. Zum Scheine liessen sie die Geschütze nach Indonesien ausführen, unterwegs jedoch umleiten. Eine weitere unerlaubte Lieferung bereiteten sie so vor, dass sie die Bundesbehörden am 21. Juni 1965 ersuchten, die Ausfuhr von 28 Geschützen 20 mm nach Thailand zu bewilligen, und demBGE 96 IV 155 S. 160

Gesuch eine angeblich von der thailändischen Marinepolizei ausgestellte Endverbraucher-Erklärung beilegten. Das Gesuch wurde bewilligt, die Bewilligung jedoch für die Ausfuhr von 14 Geschützen nach Malaysia verwendet.

Malaysia erhielt so im September 1964 und August 1965 insgesamt 24 Geschütze 20 mm im Werte von Fr. 619'203.--. Die schriftlichen Lieferaufträge Malaysias liess Lebedinsky Ende 1968 vernichten.

3.- Mit Hilfe von neun unwahren Endverbraucher-Erklärungen aus Frankreich und drei solchen Bescheinigungen aus Iran täuschte Lebedinsky mit seinen Untergebenen den Bundesbehörden in 24 Ausfuhrgesuchen vor, es gehe um Bestellungen aus diesen Ländern, während es sich in Wirklichkeit um geplante Lieferungen nach Israel, in drei Gesuchen teils auch um Kriegsmaterial für Südafrika handelte. Bei fünf weiteren Gesuchen, die ohne Endverbraucher-Erklärungen eingereicht wurden und Zeitzünder sowie Radareinrichtungen betrafen, ging es entgegen den Angaben ebenfalls um Lieferungen nach Israel. Die falschen Erklärungen besorgte alle Gelbert. Von den Ausfuhrgesuchen, die mit zwei Ausnahmen alle bewilligt wurden, haben Meili 24, Seidemann 23 und Lebedinsky eines...

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