Arrêt de IIe Cour de Droit Civil, 14 juillet 1955

ConférencierPublié
Date de Résolution14 juillet 1955
SourceIIe Cour de Droit Civil

Chapeau

81 II 319

53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Juli 1955 i. S. Bertschinger gegen Bertschinger.

Faits à partir de page 321

BGE 81 II 319 S. 321

A.- Am 29. September 1954 starb in Singen am Hohentwiel (Deutschland) Prof. Dr. ing. Robert Bertschinger, geb. 16. November 1887, Bürger von Zürich und Zumikon (Kt. Zürich), der in Öhningen (Landkreis Konstanz) ein Haus und in Zürich eine Wohnung besessen hatte und an beiden Orten polizeilich angemeldet gewesen war. Gemäss Auszug aus dem Familienregister der Stadt Zürich vom 30. November 1954 hinterliess er einen Sohn aus seiner durch Scheidung gelösten ersten Ehe, Robert Walter, geb. 1914, seine vierte Ehefrau Anna Augusta geb. Hess, die er am 10. Februar 1951 in Öhningen geheiratet hatte, und einen Sohn aus dieser vierten Ehe. Mit eigenhändigem Testament, datiert Öhningen 21. August 1954, hatte er seine Ehefrau Anna Augusta Bertschinger geb. Hess zu seiner Alleinerbin emgesetzt.

B.- Bei der amtlichen Inventarisierung der Fahrhabe, die sich in der Wohnung des Erblassers in Zürich befand, legte dessen Ehefrau das erwähnte Testament vor. Das Steueramt der Stadt Zürich übermittelte es am 6. Oktober 1954 dem Einzelrichter für nichtstreitige Rechtssachen beim Bezirksgericht Zürich zur Eröffnung. Mit Eingabe vom 11. Oktober 1954 machte die Ehefrau geltend, das zürcherische Gericht sei für diese Amtshandlung nicht zuständig. Der Einzelrichter eröffnete das Testament am 28. Oktober 1954 und wies die Unzuständigkeitseinrede der Ehefrau mit Verfügung vom 1. November 1954 ab.

BGE 81 II 319 S. 322

Das Obergericht des Kantons Zürich (II. Zivilkammer), an das die Ehefrau rekurrierte, hat am 13. Januar 1955 im gleichen Sinne entschieden. Dieser Entscheid beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Hätte der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Zürich gehabt, so wäre die Zuständigkeit des zürcherischen Richters gemäss Art. 538 ZGB und § 5 der zürcherischen ZPO unmittelbar gegeben. Der letzte Wohnsitz des Erblassers habe sich aber in Öhningen befunden. Gemäss Art. 25 des deutschen EG zum BGB werde ein Ausländer, der zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Inlande (Deutschland) hatte, nach den Gesetzen des Staates beerbt, dem er zur Zeit seines Todes angehörte. Gemäss Art. 28 des Bundesgesetzes betr. die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 (NAG) seien Schweizer mit Wohnsitz im Ausland, die nach Massgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Rechte nicht unterworfen seien, hinsichtlich der erbrechtlichen Verhältnisse dem Recht und Gerichtsstand des Heimatkantons unterstellt, soweit nicht Staatsverträge besondere Bestimmungen enthalten. Der Staatsvertrag zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden vom 6. Dezember 1856 betr. die gegenseitigen Bedingungen über Freizügigkeit und weitere nachbarliche Verhältnisse (BS 11 S. 611) bestimme in Art. 6:

"Sollte unter denjenigen, welche auf die gleiche Verlassenschaft Anspruch machen, über die Erbberechtigung Streit entstehen, so wird nach den Gesetzen und durch die Gerichte desjenigen Landes entschieden werden, in welchem das Eigentum sich befindet.

Liegt der Nachlass in beiden Staaten, so sind die Behörden desjenigen Staates kompetent, dem der Erblasser bürgerrechtlich angehört, oder in welchem er zur Zeit des Todes wohnte, wenn er nicht Bürger eines der kontrahierenden Staaten war."

Diese Vorschrift beziehe sich nicht nur auf Streitigkeiten, sondern auch auf die freiwillige Gerichtsbarkeit in Erbsachen. Rechte an beweglichen Sachen und Forderungen seien bei Anwendung dieser Vorschrift als am letzten Wohnsitz des Erblassers gelegen zu betrachten. Da der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in der badischen OrtschaftBGE 81 II 319 S. 323

Öhningen gehabt und in der Schweiz keine Liegenschaften besessen habe, wären also im vorliegenden Falle, wenn der erwähnte Staatsvertrag noch gälte, nach dessen Art. 6 Abs. 1 die badischen Gerichte zuständig und das deutsche Recht anwendbar. Dieser Staatsvertrag sei jedoch dahingefallen, weil das Land Baden infolge des deutschen Gesetzes über den Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 als Subjekt des Völkerrechts zu bestehen aufgehört habe und nicht angenommen werden könne, dass die vertraglichen Pflichten infolge Universalsukzession oder kraft ausdrücklicher oder stillschweigender Übernahme auf einen Nachfolgestaat (das Deutsche Reich, die Bundesrepublik Deutschland oder das Bundesland Baden-Württemberg) übergegangen seien. Deshalb sei nach dem Gesagten das Heimatrecht des Erblassers (d.h. das schweizerische ZGB) anwendbar und der zürcherische Richter zuständig.

C.- Gegen diesen Entscheid hat Frau Bertschinger Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag, er sei aufzuheben und ihre Unzuständigkeitseinrede sei zu schützen, weil der Staatsvertrag von 1856 noch gültig sei. Robert Walter Bertschinger macht in seiner Vernehmlassung geltend, der Erblasser habe seinen letzten Wohnsitz in Zürich gehabt. Im übrigen habe die Vorinstanz mit Recht angenommen, dass der Staatsvertrag nicht mehr gelte.

Extrait des considérants:

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Der angefochtene Entscheid ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid in einer Zivilsache, die als Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht der Berufung unterliegt (vgl.BGE 77 II 280). Gegen solche Entscheide ist nach Art. 68 lit. b OG wegen Verletzung von Vorschriften des eidgenössischen Rechts mit Einschluss von Staatsverträgen des Bundes über die sachliche oder örtliche Zuständigkeit der Behörden die Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig.

BGE 81 II 319 S. 324

Die Beschwerdeführerin, die im kantonalen Verfahren Partei war, ist zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, wenn sie durch den angefochtenen Entscheid beschwert wird. Man könnte versucht sein, dies mit der Begründung zu verneinen, das Testament sei in Gegenwart der Beteiligten bzw. ihrer Vertreter eröffnet worden; den Beteiligten sei auch eine Abschrift davon zugestellt worden; ob dies durch den zuständigen Richter geschehen sei, sei belanglos; eine nochmalige Eröffnung durch das von der Beschwerdeführerin als zuständig erachtete Notariat Radolfzell sei daher überflüssig; die im angefochtenen Entscheid angestellten Erwägungen über die internationale Zuständigkeit seien für einen allfälligen Zivilprozess über die Erbberechtigung nicht massgebend. Die Bedeutung der Testamentseröffnung und der damit verbundenen Mitteilung des Testamentsinhalts an die Beteiligten (Art. 557 /58 ZGB, §§ 2260 /62 BGB) erschöpft sich jedoch nicht darin, dass diese dadurch Kenntnis vom Testament erhalten. Vielmehr knüpfen sich an die Testamentseröffnung rechtliche Folgen. Insbesondere ist sie eine Voraussetzung für die Ausstellung einer Erbbescheinigung (Erteilung eines Erbscheins) an die eingesetzten Erben (Art. 559 ZGB; STAUDINGER, 9. Aufl., Bd. V S. 1046, Ziff. IV 1 der Bem. zu §§ 2354-2356 BGB; vgl. auch ebenda S. 799 Mitte). Ferner ist sie für den Beginn der Ausschlagungsfrist von Bedeutung (Art. 567 ZGB; § 1944 BGB). Es besteht keine Gewähr dafür, dass eine durch ein unzuständiges schweizerisches Gericht erfolgte Testamentseröffnung in Deutschland die im deutschen Recht vorgesehenen Wirkungen auszulösen vermag. Die Beschwerdeführerin, die der Ansicht ist, dass die deutschen Behörden sich in...

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