Arrêt nº 6B 777/2007 de Cour de Droit Pénal, 16 juin 2008

Date de Résolution16 juin 2008
SourceCour de Droit Pénal

veröffentlichter Text

Chapeau

134 IV 266

28. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)

6B_777/2007 vom 16. Juni 2008

Faits à partir de page 268

BGE 134 IV 266 S. 268

X. nahm am 17. August 2005 unter dem Pseudonym "Jérôme" über das Internet im Bluewin-Chatroom "kidstalk" Kontakt mit einer Person mit dem Pseudonym "manuela_13" auf. Er hatte unter demselben Pseudonym schon vorher am gleichen Tag sowie am 6. August 2005 mit einer Person mit dem Pseudonym "Jenny_13" gechattet. Im Rahmen der Kommunikation im Chat konfrontierte der damals 26-jährige X. die Person mit dem Pseudonym "manuela_13" mit verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts. Er fragte sie, ob sie bereits Brüste und schon Haare an ihrem Geschlechtsteil habe. Er forderte sie auf, sich an ihrem Geschlechtsteil zu streicheln, während er dasselbe mit dem seinen täte. Er äusserte, er habe schon einmal mit einer 13-Jährigen Sex gehabt. Er bat sie, eine Fotoaufnahme ihres Geschlechtsteils zu machen und BGE 134 IV 266 S. 269

ihm diese zu schicken, was "manuela _13" ablehnte. Nach rund einstündigem Chatten schlug er vor, dass er von seinem Wohnort im Tessin nach Zürich komme, um sie zu treffen und im Auto am Geschlechtsteil zu streicheln und alles zu machen. Hierauf wurde ein Treffen auf den nächsten Tag, 11.00 Uhr, am Treffpunkt im Hauptbahnhof Zürich vereinbart. Rund 30 Minuten später gab er "manuela_13" im Chat seine (echte) Mobiltelefonnummer bekannt, worauf ihm "manuela_13" eine E-Mail-Adresse angab. X. erschien am vereinbarten Termin, doch traf er dort nicht auf ein 13-jähriges Mädchen, sondern auf Polizeibeamte, die sich sofort als solche zu erkennen gaben. Hinter dem Pseudonym "manuela_13" hatten sich, wie zuvor hinter dem Pseudonym "Jenny_13", Angehörige der Polizei verborgen.

Im Rahmen der in der Folge gegen X. eröffneten Strafuntersuchung wegen des Verdachts des (untauglichen) Versuchs der sexuellen Handlungen mit einem Kind, angeblich begangen dadurch, dass er zwecks Vornahme von sexuellen Handlungen an dem vereinbarten Treffen erschien, fand unter anderem eine Hausdurchsuchung bei X. statt, wobei in einem Computer kinderpornografische Bildaufnahmen sichergestellt wurden. Gegen X. wurde Anklage wegen unvollendeten untauglichen Versuchs der sexuellen Handlungen mit Kindern sowie wegen Pornografie (im Sinne von Art. 197 Ziff. 3bis StGB) erhoben. Wegen der verschiedenen Äusserungen, Fragen und Aufforderungen sexuellen Inhalts im Chat vom 17. August 2005 mit "manuela_13" wurde offenbar keine Anklage erhoben.

Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7. September 2007 in Bestätigung des Urteils des Bezirksgerichts Zürich vom 19. Juni 2006 frei.

Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

X. beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht weit die Beschwerde in Strafsachen ab.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

3.

3.1

3.1.1 Das Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über die verdeckte Ermittlung (BVE; SR 312.8) enthält, wie schon der bundesrätliche BGE 134 IV 266 S. 270

Entwurf, keine Definition der verdeckten Ermittlung. In der Botschaft des Bundesrates (BBl 1998 S. 4241 ff.) wird dazu ausgeführt, der Begriff der verdeckten Ermittlung werde in der Diskussion immer wieder verschieden gebraucht, was zu Verständnis- und Abgrenzungsschwierigkeiten führe. Gleichwohl solle auf eine Legaldefinition verzichtet werden, weil der Rahmen durch die gesetzlichen Bestimmungen ausreichend genau festgelegt werde. Gemäss den Ausführungen in der Botschaft ist verdeckte Ermittlung das Anknüpfen von Kontakten zu verdächtigen Personen, die darauf abzielen, die Begehung einer strafbaren Handlung festzustellen und zu beweisen, wobei vorwiegend passiv die deliktische Tätigkeit untersucht wird (a.a.O., S. 4283). Von der verdeckten Ermittlung ist laut Botschaft die Observation zu unterscheiden, welche grundsätzlich das gezielte Beobachten von Vorgängen an öffentlichen oder allgemein zugänglichen Orten - allenfalls unter Einsatz von Bild- und Tonaufnahmegeräten - umfasst (a.a.O., S. 4283). Sowohl bei einer Observation als auch bei einer verdeckten Ermittlung gehe es darum, Beweise für eine strafbare Handlung zu erlangen, wobei diese Tätigkeit für die verdächtigten Personen nicht erkennbar sein soll. Während bei einer Observation von aussen gezielt beobachtet werde, erfolge bei einer verdeckten Ermittlung das Einschleusen von dafür eingesetzten Polizeibeamten in einen bestimmten Personenkreis (a.a.O., S. 4284). Davon zu unterscheiden ist gemäss den weiteren Ausführungen in der Botschaft der Einsatz von Fahndern in Zivilkleidung. Auch diese könnten Personen und Vorgänge beobachten, ohne vorerst ihre Funktion bekannt zu geben. Sie benötigten jedoch keine Legende und beanspruchten keine Zeugenschutzmassnahmen und stünden unter der normalen dienstlichen Aufsicht (a.a.O., S. 4284).

Die Botschaft scheint somit unter anderem zwischen verdeckten Ermittlern einerseits und Fahndern in Zivil andererseits zu unterscheiden, wobei Letztere nicht unter den Anwendungsbereich des BVE fallen. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen in der Botschaft zu anderen Bestimmungen. So wird zu Art. 8 des bundesrätlichen Entwurfs ("Verwendung der Erkenntnisse"), dem Art. 12 BVE wörtlich entspricht, unter anderem ausgeführt, dass die verdeckte Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens qualitativ noch sehr nahe beim Einsatz von Fahndern in Zivil oder bei der Observation sei, bei denen die eingesetzten Polizeibeamten nach den meisten kantonalen Polizeigesetzgebungen umfassend verpflichtet seien, BGE 134 IV 266 S. 271

während des Dienstes festgestellte Straftaten anzuzeigen. Aus diesem Grunde dürften Zufallsfunde, die im Rahmen einer verdeckten Ermittlung im Vorfeld eines Strafverfahrens gemacht würden, voraussetzungslos verwertet werden, mithin nicht nur dann, wenn auch zur Verfolgung der zufällig entdeckten Straftat eine verdeckte Ermittlung angeordnet werden könnte (a.a.O., S. 4293). Sodann hat der Bundesrat auf die im Vernehmlassungsentwurf noch vorgesehene Streichung von Art. 23 Abs. 2 BetmG verzichtet, wonach der Polizeibeamte, der zu Ermittlungszwecken selber ein Angebot von Betäubungsmitteln annimmt, straflos bleibt, auch wenn er seine Identität und Funktion nicht bekannt gibt. Der Vernehmlassungsentwurf wollte diese Bestimmung streichen und nur noch für die verdeckte Ermittlung die Straffreiheit zubilligen (a.a.O., S. 4301). Gegen die Streichung wurde in verschiedenen Vernehmlassungen opponiert mit der Begründung, dass auch andere Fahnder in Zivil, die nicht als verdeckte Ermittler eingesetzt seien, die Möglichkeit behalten sollten, zu Ermittlungszwecken ihnen angebotene Drogen anzunehmen. Dieses Argument hat den Bundesrat überzeugt, weshalb Art. 23 Abs. 2 BetmG beibehalten wurde mit der Modifikation, dass die betroffenen Beamten mit dem Auftrag zur Bekämpfung des Drogenhandels betraut sein müssen (a.a.O., S. 4301).

Aus der Botschaft geht allerdings nicht hervor, nach welchen Kriterien sich die verdeckten Ermittler von den Fahndern in Zivil unterscheiden. Der Hinweis in der Botschaft, dass die Fahnder in Zivil keine Legende benötigen und keine Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen (a.a.O., S. 4284), ist an sich zutreffend, doch ist die darin enthaltene Andeutung, dass die verdeckten Ermittler eine Legende benötigen und Zeugenschutzmassnahmen beanspruchen, zumindest ungenau. Denn diese Massnahmen sind sowohl nach dem bundesrätlichen Entwurf (Art. 3) als auch nach dem Gesetz (Art. 6 BVE) fakultativ ("[...] kann [...]"), auch wenn offenbar laut Botschaft "in der Praxis" Einsätze von verdeckten Ermittlern "regelmässig" mit Vertraulichkeitszusage und Legende erfolgen (a.a.O., S. 4288).

3.1.2 Der bundesrätliche Entwurf hat in den Verhandlungen der eidgenössischen Räte (AB 2001 N 1812 ff., 1836 ff.; AB 2002 S 534 ff.; AB 2002 N 1259 ff.; AB 2002 S 1073 ff.; AB 2003 N 361 f.; AB 2003 S 487 f.) erhebliche Änderungen erfahren. Aus den Verhandlungen geht hervor, dass auch das Parlament bei der verdeckten Ermittlung relativ langfristige und heikle Einsätze namentlich im Rahmen der BGE 134 IV 266 S. 272

Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels und der sog. organisierten Kriminalität im Auge hatte. Aus den Verhandlungen ergibt sich nicht zweifelsfrei, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen nach den Vorstellungen des Parlaments auch kurze und relativ einfache Einsätze unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sollen.

3.2 Das BVE enthält im Unterschied zum bundesrätlichen Entwurf immerhin einen Zweckartikel. Gemäss Art. 1 BVE hat verdeckte Ermittlung nach diesem Gesetz zum Zweck, mit Angehörigen der Polizei, die nicht als solche erkennbar sind (Ermittler oder Ermittlerin), in das kriminelle Umfeld einzudringen und damit beizutragen, besonders schwere Straftaten aufzuklären. Aus diesem Zweckartikel lässt sich indessen nicht ableiten, dass eine verdeckte Ermittlungstätigkeit nur als verdeckte Ermittlung im Sinne des BVE zu qualifizieren ist, wenn dabei in ein kriminelles Umfeld eingedrungen wird. Der Zweckartikel kann auch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine verdeckte Ermittlung nur im Falle des Eindringens in ein kriminelles Umfeld unter den Anwendungsbereich des BVE fällt. Das in Art. 1 BVE erwähnte Eindringen in ein kriminelles Umfeld ist somit weder ein Definitionsmerkmal des Begriffs der verdeckten Ermittlung im Sinne des BVE noch ein Kriterium für die Bestimmung des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes. Es wäre hiefür ohnehin nicht geeignet, weil es viel zu unbestimmt ist. Der Gesetzgeber scheint damit lediglich zum Ausdruck bringen zu wollen, dass nach seinen Vorstellungen die verdeckte Ermittlung typischerweise namentlich auch der...

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