Arrêt nº 1A.139/2004 de Ire Cour de Droit Civil, 22 juin 2004

Conférencierpublié
Date de Résolution22 juin 2004
SourceIre Cour de Droit Civil

veröffentlichter Text

Chapeau

130 I 234

20. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen X. und Bundesstrafgericht (Beschwerde)

1A.139/2004 vom 22. Juni 2004

Faits à partir de page 235

BGE 130 I 234 S. 235

  1. Die Schweizerische Bundesanwaltschaft führt seit 31. Januar 2002 eine Strafuntersuchung gegen X. wegen Gehilfenschaft zu ungetreuer Geschäftsbesorgung, Beteiligung an einer kriminellen Organisation und Geldwäscherei. Die Strafuntersuchung stehe im Zusammenhang mit einem separaten Strafverfahren in Russland; die russische Strafjustiz habe die (russischen) Hauptangeschuldigten u.a. wegen Vermögensdelikten in Millionenhöhe zum Nachteil der Fluggesellschaft Aeroflot angeklagt. Die Bundesanwaltschaft wirft X. vor, er habe die russischen Hauptangeschuldigten mit Hilfe von Gesellschaften, die von ihm kontrolliert worden seien, auf strafbare Weise unterstützt. Am 11. Juli 2003 beantragte die Bundesanwaltschaft die Eröffnung einer Voruntersuchung.

  2. Am 22. Juli 2003 eröffnete die Eidgenössische Untersuchungsrichterin die Voruntersuchung. Mit Verfügung vom 23. Februar 2004 erliess sie eine Pass- und Schriftensperre gegen X. Gleichzeitig verfügte sie gegen den Angeschuldigten eine Meldepflicht (wöchentliche Meldung bei der Kantonspolizei Bern). Die strafprozessualen Zwangsmassnahmen (Ersatzmassnahmen anstelle von Untersuchungshaft) wurden mit dem Bestehen von dringendem Tatverdacht und Fluchtgefahr begründet.

  3. Gegen die Zwangsmassnahmenverfügung der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin erhob X. am 26. Februar 2004 Beschwerde bei der Anklagekammer des Bundesgerichtes. Er beantragte die Wiederaushändigung der eingezogenen Ausweispapiere sowie die Aufhebung der Ausreisesperre und der Meldepflicht. Nachdem die Anklagekammer des Bundesgerichtes per 31. März 2004 aufgelöst worden war, entschied zuständigkeitshalber das Bundesstrafgericht (Beschwerdekammer)BGE 130 I 234 S. 236

    über die hängige Beschwerde. Mit Entscheid vom 28. April 2004 hiess das Bundesstrafgericht die Beschwerde gut und hob die Verfügung der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin vom 23. Februar 2004 auf.

  4. Gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichtes vom 28. April 2004 gelangte die Bundesanwaltschaft mit Beschwerde vom 2. Juni 2004 an das Bundesgericht. Sie rügt eine Verletzung ihrer prozessualen Parteirechte und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie die Rückweisung an das Bundesstrafgericht zur Neubeurteilung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

    Extrait des considérants:

    Aus den Erwägungen:

    2. Es fragt sich zunächst, ob in der vorliegenden Streitsache überhaupt der Beschwerdeweg ans Bundesgericht offen steht.

    2.1 Art. 33 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht (SGG; SR 173.71) ist seit 1. April 2004 in Kraft. Das Bundesstrafgericht übernimmt die Fälle, die bei Inkrafttreten des SGG vor der Anklagekammer des Bundesgerichtes hängig waren (Art. 33 Abs. 1 SGG). Hängige Fälle werden nach neuem Recht weitergeführt (Art. 33 Abs. 2 SGG). Bis zum Inkrafttreten der hängigen Totalrevision der Bundesrechtspflege (voraussichtlich im Jahr 2007) kann gegen die Entscheide der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes über Zwangsmassnahmen innert 30 Tagen seit der Eröffnung wegen Verletzung von Bundesrecht beim Bundesgericht Beschwerde geführt werden. Das Verfahren richtet sich sinngemäss nach den Art. 214-216, 218 und 219 BStP (Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG).

    2.2 Bei der hier streitigen Pass- und Schriftensperre sowie der Meldepflicht handelt es sich um strafprozessuale Zwangsmassnahmen (vgl. ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 5. Aufl., Basel 2002, § 68 Rz. 45; Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., Zürich 2004, Rz. 717 ff.). Zwar geht es dabei um mildere Ersatzmassnahmen anstelle des Erlasses von Untersuchungshaft, mit denen (im Rahmen der Verhältnismässigkeit) einer gewissen Fluchtgefahr des Angeschuldigten vorgebeugt werden soll (vgl. SCHMID, a.a.O., Rz. 717). Die Massnahmen führen jedoch zu einer empfindlichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit (bzw. der persönlichen Freiheit und der Wirtschaftsfreiheit) des Betroffenen. Dies gilt besonders im hier zu beurteilenden Fall. Gemäss den BGE 130 I 234 S. 237

    vorliegenden Akten hat der Beschwerdegegner seinen Hauptwohnsitz auf Zypern. Es handelt sich bei ihm um einen selbstständig erwerbenden Geschäftsmann. Infolge der Pass- und Schriftensperre bzw. des Ausreiseverbots konnte er sich weder an seinen Hauptwohnsitz begeben, noch Geschäften im Ausland nachgehen oder aus privaten Motiven (Besuche, Urlaub usw.) reisen. Ausserdem wurde ihm die Verpflichtung auferlegt, sich wöchentlich bei der Berner Kantonspolizei zu melden. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde an das Bundesgericht in der vorliegenden Streitsache grundsätzlich zulässig.

    3. Weiter ist zu prüfen, ob die Bundesanwaltschaft zur Beschwerde legitimiert ist, ob ihr die prozessualen Parteirechte zustehen und ob die Beschwerdefrist eingehalten wurde.

    3.1 Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a SGG ist Art. 214 Abs. 2 BStP hier sinngemäss anwendbar. Danach sind namentlich die Parteien zur Beschwerde legitimiert. Parteien im Bundesstrafverfahren sind der Beschuldigte, die Bundesanwaltschaft und (in gewissen Fällen) der Geschädigte (Art. 34 BStP). Der Bundesanwaltschaft stehen auch während der Voruntersuchung Parteirechte zu (vgl. Art. 108 Abs. 1, Art. 110 Abs. 1, Art. 111 f., 115 Abs. 1, Art. 116, 118 f. und 120 Abs. 1 BStP). Auch nach bisheriger Praxis der Anklagekammer des Bundesgerichtes (welche bis 31. März 2004 in den Beschwerdesachen nach Art. 214 ff. BStP zuständig war) wurde die Bundesanwaltschaft als Partei behandelt (vgl. z.B. Urteil 8G.7/2000 vom 20. April 2000; s. auch BGE 125 IV 222 sowie Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 des Entwurfes zum Bundesgesetz über das Bundesgericht [E-BGG], BBl 2001 S. 4480 ff., 4498 f.).

    Nach dem Gesagten ist die Bundesanwaltschaft als Vertreterin der Anklage mit Parteistellung zur...

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