Arrêt nº 2P.155/2003 de IIe Cour de Droit Public, 20 novembre 2003

Conférencierpublié
Date de Résolution20 novembre 2003
SourceIIe Cour de Droit Public

veröffentlichter Text

Chapeau

129 I 410

37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung i.S. Politische Gemeinde Tujetsch und Mitb. gegen X. AG sowie Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)

2P.155/2003 vom 20. November 2003

Faits à partir de page 411

BGE 129 I 410 S. 411

Am 11. Juli 2002 schrieb die Gemeinde Tujetsch im Amtsblatt des Kantons Graubünden die Beschaffung einer Pistenmaschine (Loipe) im offenen Verfahren aus. Es gingen je eine Offerte der X. AG zu Fr. 132'000.- und der Y. AG zu Fr. 156'000.- ein. Mit Entscheid vom 26. August 2002 erhielt die Y. AG den Zuschlag. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden hiess eine dagegen erhobene Beschwerde der X. AG gut, hob den angefochtenen Zuschlagsentscheid auf und wies die Sache zu neuer Vergabe im Sinne der Erwägungen an die Gemeinde Tujetsch zurück. Am 6. Dezember 2002 vergab die Gemeinde die Lieferung des Pistenfahrzeuges erneut an die Y. AG. Mit Urteil vom 17. Januar 2003 hiess das Verwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde der X. AG wiederum gut, hob die angefochtene Verfügung erneut auf und vergab diesmal den Auftrag für die Beschaffung einer Pistenmaschine (Loipe) zum Preis von Fr. 132'000.- direkt an die X. AG.

Mit Schreiben vom 11. Februar 2003 teilte die Gemeinde Tujetsch der X. AG und der Y. AG mit, sie habe beschlossen, von der Beschaffung eines Pistenfahrzeuges abzusehen. Der im Jahre 2002 gesprochene Kredit sei mit Ablauf des Budgetjahres Ende 2002 verfallen, und aufgrund der verschlechterten Finanzlage sei der Gemeindevorstand nicht bereit, einen neuen Kredit zu beantragen.

Am 14. März 2003 ersuchte die X. AG das Verwaltungsgericht, das Urteil vom 17. Januar 2003 mit allen entsprechenden Mitteln zu vollstrecken. Das Urteil sei rechtskräftig, weshalb die Gemeinde daran gebunden sei und das bereit gehaltene Pistenfahrzeug abzunehmen habe.

Am 30. April 2003 fällte das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden das folgende Urteil:

"1. In Gutheissung des Vollstreckungsgesuches wird der

Gemeindevorstand Tujetsch, bestehend aus A., B., C.,

D und E., unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB,

wonach mit Haft oder mit Busse bestraft wird, wer der

von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen

Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels

an ihn erlassenen Verfügung nicht Folge leistet, verpflichtet,BGE 129 I 410 S. 412

für die Gemeinde Tujetsch binnen 30 Tagen seit der Eröffnung

dieses Urteiles mit der X. AG den Kaufvertrag für die mit

Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 17. Januar 2003 an Letztere

vergebene Pistenmaschine abzuschliessen.

2. ..."

Gegen dieses Urteil führen die Politische Gemeinde Tujetsch sowie die einzelnen Mitglieder ihres Gemeindevorstandes gemeinsam staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht (Eingabe vom 10. Juni 2003). Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.

Die X. AG schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

Mit verfahrensleitender Verfügung vom 9. Juli 2003 hat der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der staatsrechtlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

1.

1.1 Der angefochtene Entscheid ist letztinstanzlich und stützt sich auf kantonales Recht; gegen ihn steht auf Bundesebene kein anderes Rechtsmittel offen als die staatsrechtliche Beschwerde (Art. 84 Abs. 2 und Art. 86 OG). Er trifft die Gemeinde Tujetsch in ihren hoheitlichen Befugnissen, hat sie das Verwaltungsgericht doch zum Kauf eines Pistenfahrzeuges aus eigenen Mitteln verpflichtet. Die Gemeinde ist deshalb legitimiert, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung der Gemeindeautonomie zu rügen (vgl.BGE 128 I 3 E. 1c S. 7;BGE 121 I 218 E. 2a S. 220, je mit Hinweisen). Ob der Gemeinde Tujetsch im betreffenden Bereich tatsächlich Autonomie zusteht, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (BGE 128 I 3 E. 1c S. 7;BGE 119 Ia 285 E. 4a S. 294).

An der Anfechtbarkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts ändert grundsätzlich nichts, dass dieses letztlich einzig Vollstreckungsmassnahmen zum Gegenstand hat; zu prüfen ist indessen nur, ob der angefochtene Entscheid als Vollstreckungsentscheid mit der Verfassung vereinbar ist, und es ist nicht mehr auf die Rechtmässigkeit des Vergabeentscheides zurückzukommen, zumal die Gemeinde Tujetsch nicht geltend macht, in unverjährbaren oder unverzichtbaren Grundrechten verletzt worden zu sein.

BGE 129 I 410 S. 413

1.2 Die Mitglieder des Gemeindevorstandes Tujetsch sind durch den angefochtenen Entscheid insoweit in rechtlich geschützten Interessen betroffen, als das Verwaltungsgericht sie unter Strafandrohung verpflichtet, für die Gemeinde einen privatrechtlichen Vertrag abzuschliessen. Obwohl sie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an sich nicht direkt Partei waren, sind sie dadurch, dass sie vom angefochtenen Entscheid erstmals unmittelbar persönlich unter Strafandrohung in die Pflicht genommen werden, ebenfalls - wenn auch nicht im Hinblick auf die Gemeindeautonomie, sondern auf ihre jeweilige eigene Rechtsstellung - legitimiert, das Urteil des Verwaltungsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten (vgl. Art. 88 OG).

2.

2.1 Die Bundesverfassung vom 18. April 1999 gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des kantonalen Rechts (Art. 50 Abs. 1 BV). Wie bereits unter der Geltung der alten Verfassung ist eine Gemeinde demnach dann autonom in einem Sachbereich, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt. Der geschützte Autonomiebereich kann sich auf die Befugnis zum Erlass oder Vollzug eigener kommunaler Vorschriften beziehen oder einen entsprechenden Spielraum bei der Anwendung des kantonalen oder eidgenössischen Rechts betreffen. Der Schutz der Gemeindeautonomie setzt eine solche nicht in einem ganzen Aufgabengebiet, sondern lediglich im streitigen Bereich voraus. Im Einzelnen ergibt sich der Umfang der kommunalen Autonomie aus dem für den entsprechenden Bereich anwendbaren kantonalen Verfassungs- und Gesetzesrecht (BGE 128 I 3 E. 2a S. 8;BGE 122 I 279 E. 8b S. 290, je mit Hinweisen).

2.2 Die Verfassung für den Kanton Graubünden vom 2. Oktober 1892 (KV) regelt die politischen Gemeinden in Art. 40 KV und weist ihnen unter anderem das Recht zur selbständigen Gemeindeverwaltung und die Verpflichtung zu, "für gute Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten ... zu sorgen". Nach Art. 1 Abs. 2 des Gemeindegesetzes des Kantons Graubünden vom 28. April 1974 üben die Gemeinden in den Grenzen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die Hoheit über alle auf ihrem Gebiet befindlichen Personen und Sachen aus. Gemäss Art. 2 Abs. 1 des Gemeindegesetzes steht ihnen innerhalb der Schranken der Gesetzgebung des Bundes und des Kantons das Recht auf selbständige Ordnung ihrer Angelegenheiten zu. DazuBGE 129 I 410 S. 414

gehört auch der Fahrzeugpark einer Gemeinde. Soweit es um die Beschaffung eines neuen Fahrzeuges geht, greifen zwar die Vorschriften des kantonalen Submissionsrechts; es liegt aber in erster Linie in der Verantwortung der Gemeinde, welchen Verkäufer sie berücksichtigen will (vgl. zur Autonomie der bündnerischen Gemeinden und Kreise im Submissionswesen das Urteil des Bundesgerichts 2P.6/1993 vom 25. Mai 1994).

2.3 Die beschwerdeführende Gemeinde verfügt demnach im vorliegenden Zusammenhang über die erforderliche relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit, womit sie den Schutz der Autonomie geniesst. Sie kann sich daher mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen den sie belastenden Vergabeentscheid des Verwaltungsgerichts als kantonal letztinstanzlicher Rechtsmittelbehörde wehren; dabei kann sie insbesondere geltend machen...

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