Arrêt nº 6S.258/2001 de Cour de Droit Pénal, 26 novembre 2002

Conférencierpublié
Date de Résolution26 novembre 2002
SourceCour de Droit Pénal

veröffentlichter Text

Chapeau

129 IV 81

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)

6S.258/2001 vom 26. November 2002

Faits à partir de page 82

BGE 129 IV 81 S. 82

A.- Das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, sprach X. am 14. Februar 2000 frei von den Vorwürfen des mehrfachen Menschenhandels (Art. 196 Abs. 1 StGB), der mehrfachen Förderung der Prostitution (Art. 195 Abs. 2 und 4 StGB) sowie der einfachen Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Mit gleichem Urteil sprach es sie hingegen schuldig der mehrfachen Förderung der Prostitution (Art. 195 Abs. 3 StGB), der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 2 ANAG, der mehrfachen Anstiftung zur Widerhandlung gegen Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG, der mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 5 BetmG, der mehrfachenBGE 129 IV 81 S. 83

Bestechung (Art. 288 StGB) sowie der mehrfachen Anstiftung zur Begünstigung (Art. 305 StGB) und bestrafte sie mit zweieinhalb Jahren Zuchthaus und einer Busse von Fr. 10'000.-, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 26. März 1997.

Dagegen erhoben sowohl die Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft kantonale Berufung. Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am 24. Januar 2001 wegen mehrfachen Menschenhandels (Art. 196 StGB), mehrfacher Förderung der Prostitution (Art. 195 Abs. 3 und 4 StGB), mehrfacher Bestechung (Art. 288 aStGB), je mehrfacher Anstiftung zur Begünstigung (Art. 305 StGB) und zu einem Vergehen im Sinne von Art. 23 Abs. 1 al. 5 ANAG, mehrfachen Vergehens gegen Art. 23 Abs. 2 ANAG sowie Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG zu einer Zuchthausstrafe von viereinhalb Jahren und einer Busse von Fr. 10'000.-. Das Gericht sprach X. von den Vorwürfen der Anstiftung zum Amtsmissbrauch, der Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 Abs. 2 StGB sowie der einfachen Körperverletzung frei. Ferner beschloss es die Einziehung und Vernichtung der beschlagnahmten Pistole "Erma" mit 74 Patronen sowie die Einziehung verschiedener Gegenstände und von Bargeldbeträgen im Gesamtwert von Fr. 23'864.-.

Die Verurteilte erhob dagegen kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde am 22. Dezember 2001 ab, soweit es darauf eintrat.

B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.

Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen ihre Verurteilung wegen mehrfacher Förderung der Prostitution im Sinne von Art. 195 Abs. 3 StGB. (...)

1.2 Nach Art. 195 Abs. 3 StGB wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer die Handlungsfreiheit einer Person, die sich prostituiert, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei ihrer Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmass oder andere Umstände der Prostitution bestimmt. Geschütztes Rechtsgut ist die Entscheidungsfreiheit der Prostituierten, die nicht verletzt werden darfBGE 129 IV 81 S. 84

(vgl. Botschaft des Bundesrates über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie] vom 26. Juni 1985, BBl 1BGE 985 II 1009ff., 1082, 1084). Von der Bestimmung wird erfasst, wer sich der Prostituierten gegenüber in einer Machtposition befindet, die es ihm erlaubt, deren Handlungsfreiheit einzuschränken und festzulegen, wie sie ihrer Tätigkeit im Einzelnen nachzugehen hat, oder in Einzelfällen bestimmte Verhaltensweisen zu erzwingen. Die Strafbarkeit setzt voraus, dass auf die betroffene Person ein gewisser Druck ausgeübt wird, dem sie sich nicht ohne weiteres entziehen kann, so dass sie in ihrer Entscheidung, ob und wie sie dem Gewerbe nachgehen will, nicht mehr vollständig frei ist, und dass die Überwachung oder die bestimmende Einflussnahme ihrem Willen oder ihren Bedürfnissen zuwiderläuft (BGE 126 IV 76 E. 2 S. 80 f. mit Hinweisen).

Ob unzulässiger Druck im Sinne der Bestimmung ausgeübt wird, entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Falles. Das Bundesgericht hielt die Strafbarkeit für gegeben im Falle von Animierdamen, deren Anwesenheit und Tätigkeit streng kontrolliert wurden und die aufgrund der Rahmenbedingungen (obligatorische Zimmermiete, Forfaits) ihren Lebensunterhalt nur durch Prostitution verdienen konnten. Daran änderte nichts, dass die Frauen den durch Prostitution erwirtschafteten Verdienst behalten konnten (Urteile 6S.446/2000 vom 29. März 2001, E. 3 und 6S.570/1997 vom 9. Oktober 1997, E. 2, besprochen von HANS WIPRÄCHTIGER, Aktuelle Praxis des Bundesgerichts zum Sexualstrafrecht, ZStrR 117/1999 S. 146 f.). Das Bundesgericht bestätigte ferner die Verurteilung des Betreibers eines "Begleitservices", der die angestellten Prostituierten zu praktisch permanenter Einsatzbereitschaft verpflichtete und sie ständig durch Chauffeure überwachen liess, die auch das Geld einzogen (BGE 125 IV 269 E. 2 S. 271 f.). Schliesslich bejahte das Bundesgericht die Förderung der Prostitution bei einem Täter, der ausländische Prostituierte illegal in die Schweiz brachte, diese und bereits illegal in der Schweiz sich aufhaltende Prostituierte beherbergte, ihnen Arbeit im Gewerbe in Saunas und Nachtclubs vermittelte, sie jeweils dorthin begleitete und überwachte, den Erlös ihrer Arbeit entgegennahm und ihnen einen Teil davon wieder auszahlte, sowie ihnen Darlehen gab, die sie abarbeiten mussten (Urteil 6P.162/2001 vom 22. März 2002, E. 6).

Nicht gegen Art. 195 Abs. 3 StGB verstiess hingegen der Geschäftsführer eines Saunaclubs, der sich damit begnügte, von denBGE 129 IV 81 S. 85

Prostituierten Eintritt und einen Gewinnanteil von 40% zu verlangen. Zwar war eine verbindliche Preisliste erlassen worden, und die Prostituierten mussten ihre Einnahmen zunächst der Geschäftsführung aushändigen, doch war ihre (Bewegungs-)Freiheit ansonsten nicht weiter eingeschränkt. Sie erhielten ihren Verdienst nach Abzug der Gewinnbeteiligung am Ende jedes Arbeitstages ausbezahlt (BGE 126 IV 76 E. 3 S. 81 f.).

1.3 Gemäss den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) besass und betrieb die Beschwerdeführerin zwischen 1993 und 1998 teilweise gleichzeitig insgesamt 4 Salons/Bordelle in Zürich. Sie wurde dabei von ihrem geschiedenen Ehemann und ihrem neuen Ehemann unterstützt. Sie beschäftigte in den Salons spätestens ab dem 29. Dezember 1993 bis zur Polizeiaktion am 27. Januar 1998 insgesamt 39 fast durchwegs illegal arbeitende Thailänderinnen als Prostituierte. Vermittler aus Thailand schickten ihr Unterlagen, insbesondere Fotos, von thailändischen Frauen zu. Auf Grund dieser Unterlagen entschied sie jeweils, welchen Frauen sie in ihren Salons in der Schweiz eine Stelle anbieten wollte. Dabei wählte sie gezielt Frauen aus möglichst armen Verhältnissen aus, weil diese weniger in der Lage waren, sich ihr zu widersetzen. Zudem schied sie schöne Frauen aus, weil diese weniger folgsam seien und "einfach heiraten" wollten. In der Folge traf sie die Frauen persönlich in Bangkok oder kontaktierte sie telefonisch und organisierte ihre Reise in die Schweiz.

Hier kontrollierte sie die Frauen umfassend. Sie nahm ihnen bei der Ankunft in der Schweiz den Pass und das Rückflugticket als Sicherheit dafür ab, dass die Frauen ihre Salons nicht (vorzeitig) verliessen und Schulden von durchschnittlich Fr. 12'000.- für die Unterstützung bei der Einreise und für die Reise selbst abbezahlten. Die tatsächlichen Kosten der Vermittlung und Einreise von Prostituierten in die Schweiz betrugen jeweils rund Fr. 10'000.-. Die Beschwerdeführerin drohte den Frauen bei ihrer Ankunft in der Schweiz eine "Konventionalstrafe" von Fr. 10'000.- an, falls sie den jeweiligen Salon vorzeitig verlassen würden. In der Folge lebten und arbeiteten die Prostituierten in den Salonräumlichkeiten. Sie mussten jeden Tag 17 Stunden arbeiten (Präsenzzeit) und der Beschwerdeführerin ihre gesamten Einnahmen, einschliesslich Trinkgelder von mehr als Fr. 50.-, abliefern. X. zog 60% der Einnahmen für sich ab. Die restlichen 40% standen den Prostituierten zu, wobei diese damit zuerst ihre Schulden abbezahlen mussten, wofür sie durchschnittlich mindestens einen Monat brauchten. ÜberdiesBGE 129 IV 81 S. 86

verwahrte die Beschwerdeführerin das den Prostituierten zustehende Geld bis zu deren Ausreise, um sich die Folgsamkeit der Frauen zu sichern. Für geringe Beträge des täglichen Bedarfs mussten die Prostituierten um eine Anzahlung bitten. Die Beschwerdeführerin organisierte auch das Essen und die Lieferung von Pflegemitteln, Unterwäsche, Schuhen usw. und verrechnete die Kosten mit den Ansprüchen der einzelnen Frauen. In einem der Salons hatte sie eine Gegensprechanlage installieren lassen, mit welcher sie das Geschehen in den einzelnen Räumen überwachen konnte. Die Beschwerdeführerin bestimmte sodann auch die Preise und die Art der sexuellen Leistungen; eine Prostitutierte zwang sie trotz Menstruation zur Arbeit. Sie war gegenüber den Prostituierten manchmal aufbrausend und unbeherrscht. Selbst geringfügige Regelverstösse ahndete sie mit "Geldbussen". So zog sie etwa einer Prostituierten Fr. 100.- von den Einnahmen ab, weil sie bestimmte Schuhe nicht anziehen wollte. Zudem erschwerte die Beschwerdeführerin den für sie arbeitenden Frauen Kontakte zur Aussenwelt. Sie verbot ihnen beispielsweise, von den Salons aus zu telefonieren, damit sie nicht über ihre Arbeitsverhältnisse mit Aussenstehenden sprachen. Ferner durften die Frauen - wenn überhaupt - nur in Gruppen und mit Begleitung in den Ausgang. Da die Beschwerdeführerin in der einschlägigen thailändischen Szene in der Schweiz einflussreich war, wurde gegen ihren Willen eine durch sie in die Schweiz gebrachte Prostituierte...

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