Arrêt nº 1P.248/2002 de Ire Cour de Droit Civil, 18 juillet 2002

Date de Résolution18 juillet 2002
SourceIre Cour de Droit Civil

Tribunale federale

Tribunal federal

{T 0/2}

1P.248/2002 /sta

Urteil vom 18. Juli 2002

  1. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,

Bundesrichter Féraud, Catenazzi,

Gerichtsschreiberin Gerber.

Fa. X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lorenz Erni, Postfach 1343, 8026 Zürich,

R.A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Dietsche, Eisenbahnstrasse 41, Postfach 228, 9401 Rorschach,

Beschwerdeführerinnen,

gegen

Kantonales Untersuchungsamt St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,

Anklagekammer des Kantons St. Gallen, Regierungsgebäude, 9001 St. Gallen.

Art. 9, 29 Abs. 1 und 2 BV (Beschlagnahme),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 19. Dezember 2001.

Sachverhalt:

A.

Seit 1994 ermittelte die Staatsanwaltschaft Mannheim u.a. gegen B.D.________, F.________ und R.A.________ wegen des Verdachts der Teilnahme an verschiedenen Vermögensdelikten, insbesondere Anlagebetrug, Veruntreuung und Urkundenfälschung. B.D.________ und F.________ wurden in Deutschland rechtskräftig zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Da sich R.A.________ den deutschen Ermittlungsbehörden nicht stellte, wurde das Strafverfahren gegen sie 1997 an den Kanton St. Gallen abgetreten. Im Mai 2000 übergab die Staatsanwaltschaft Mannheim dem Kantonalen Untersuchungsamt St. Gallen fünf Zahlungsgarantien der Westfalenbank Bochum, welche im Verfahren gegen B.D.________ und F.________ beschlagnahmt worden waren.

B.

Am 3. Juli 2000 erliess das Kantonale Untersuchungsamt eine Verfügung, mit welcher es die Beschlagnahme des Erlöses von zwei fällig gewordenen Zahlungsgarantien der Westfalen Bank AG in Höhe von DM 370'808.44 bzw. DM 347'159.36 auf einem auf die Fa. X.________, Rorschach, lautenden Konto bei der St. Gallischen Kantonalbank anordnete.

C.

Gegen diese Beschlagnahmeverfügung erhoben die Fa. X.________ und R.A.________ Beschwerde an die Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Diese wies die Beschwerde am 21. November 2000 ab. Das Schweizerische Bundesgericht hiess am 15. Juni 2001 eine hiergegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde gut und hob das Urteil der Anklagekammer wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs auf (Entscheid 1P.124/2001). Es wies die Anklagekammer an, den Beschwerdeführerinnen Gelegenheit zu geben, sich zu den von Untersuchungsrichter Peter Baumgartner mit der Duplik vom 20. Oktober 2000 eingereichten Akten zu äussern und anschliessend neu zu entscheiden.

D.

Mit Urteil 1P.766/2000 vom 18. Mai 2001 hiess das Bundesgericht eine separate staatsrechtliche Beschwerde von R.A.________ gut. Es hob Entscheide des Ersten Staatsanwalts und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen auf, welche Ausstandsbegehren gegen den Kantonalen Untersuchungsrichter für Wirtschaftsdelikte, Peter Baumgartner, zu Unrecht abgewiesen hatten.

E.

Die Fa. X.________ und R.A.________ nahmen am 25. Oktober 2001 zu den vom Untersuchungsrichteramt zusammen mit der Duplik eingereichten neuen Akten Stellung. Am 19. Dezember 2001 wies die Anklagekammer die Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung ab.

F.

Gegen den am 20. März 2002 zugestellten Entscheid erhoben die Fa. X.________ und R.A.________ am 6. Mai 2002 staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen, der angefochtene Entscheid und die Beschlagnahme des Kontos der Fa. X.________ bei der St. Gallischen Kantonalbank seien aufzuheben. Das Kantonale Untersuchungsamt für Wirtschaftsdelikte und die Anklagekammer beantragen Abweisung der Beschwerde. Den Beschwerdeführerinnen wurde Gelegenheit gegeben, sich zur Stellungnahme des ausserordentlichen Untersuchungsrichters Martin Frey zu äussern.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

  1. 1.1 Der Entscheid der Anklagekammer über die Beschlagnahmeverfügung ist ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid, gegen den nur die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zur Verfügung steht (BGE 126 I 97 E. 1c S. 101 f. mit Hinweisen). Voraussetzung ist, dass der angefochtene Zwischenentscheid einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken könnte (Art. 87 Abs. 2 OG). Dies wird praxisgemäss bei der Beschlagnahme von Sachen oder Vermögenswerten bejaht, weil es dem Beschwerdeführer verunmöglicht wird, über den beschlagnahmten Gegenstand bzw. den Geldbetrag und allfällige Zinserträge frei zu verfügen (zur Veröffentlichung bestimmter Bundesgerichtsentscheid 1P.117/2002 vom 7. Mai 2002 E. 1; 126 I 97 E. 1b S. 100 f., je mit Hinweisen).

    1.2 Die Beschwerdeführerin 1 ist als Inhaberin des beschlagnahmten Kontos zur Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG); die Beschwerdeführerin 2 ist als Partei des kantonalen Verfahrens befugt, eine formelle Rechtsverweigerung geltend zu machen (BGE 122 I 267 E. 1b S. 270 mit Hinweisen). Auf die rechtzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten (vgl. allerdings unten E. 4).

    1.3 Die Beschwerdeführerinnen verlangen sinngemäss, die Stellungnahme des a.o. Untersuchungsrichters Martin Frey vom 31. Mai 2002 sei aus dem Recht zu weisen, da dieser nicht berechtigt gewesen sei, sich zur Beschwerde zu äussern. Dieser Antrag ist abzuweisen: Das Bundesgericht hatte am 13. Mai 2002 Untersuchungsrichter Peter Baumgartner vom Kantonalen Untersuchungsamt St. Gallen zur Vernehmlassung eingeladen. Nachdem dieser in den Ausstand geschickt wurde, durfte er sich am vorliegenden Verfahren nicht mehr beteiligen und musste von einem anderen Untersuchungsrichter ersetzt werden. Es ist Sache des Untersuchungsamtes, zu bestimmen, welchen Untersuchungsrichter es mit der Abfassung der Vernehmlassung an Stelle von Untersuchungsrichter Baumgartner beauftragt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen enthält die Vernehmlassung von a.o. Untersuchungsrichter Martin Frey auch keine unzulässigen Nova. Sie stützt sich vielmehr auf Unterlagen in den Akten der Anklagekammer (insbesondere AK-Akten act. 7a und 7b), zu denen die Beschwerdeführerinnen schon im kantonalen Verfahren Stellung nehmen konnten.

  2. Die Beschwerdeführerinnen rügen zunächst, die Anklagekammer habe ihre gesetzliche Kognition zu Unrecht eingeschränkt, indem sie sich auf die Prüfung von "offensichtlichen Rechtsverletzungen" beschränkt habe (angefochtener Entscheid, S. 6, 1. Abschnitt).

    2.1 Die Anklagekammer hat jedoch an der zitierten Stelle lediglich hervorgehoben, dass es sich bei der Beschlagnahme um eine provisorische, konservatorische prozessuale Massnahme handle. Sie folgerte daraus, dass sie, im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter, bei der Überprüfung des Tatverdachts keine erschöpfende Abwägung aller in Betracht fallenden Tat- und Rechtsfragen vorzunehmen habe; werde der Tatverdacht mit dem Argument bestritten, die in Frage kommende Strafbestimmung sei nicht anwendbar bzw. es verletze Bundesrecht, dies zu bejahen, so hebe sie die Beschlagnahme nur auf, wenn die behauptete Rechtsverletzung offensichtlich sei.

    2.2 Dies entspricht grundsätzlich der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch Entscheid 1P.515/1997 vom 26. November 1997 E. 3c). Verlangt das kantonale Strafprozessrecht - wie im vorliegenden Fall Art. 141 Abs. 1 lit. b des St. Galler Strafprozessgesetzes vom 1. Juli 1999 (StP/SG) - für die Beschlagnahme eines Gegenstandes oder eines Vermögenswertes, dass dessen Einziehung "in Frage kommt", so genügt es, wenn ein hinreichender Tatverdacht vorliegt und der mit Beschlag zu belegende Gegenstand voraussichtlich der Einziehung unterliegt; dabei genügt ein Glaubhaftmachen der aus dem Bundesrecht ableitbaren Voraussetzungen (BGE 126 I 97 E. 3b S. 104 f.; gemäss Entscheid 1P.405/1993...

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