Arrêt nº 1P.638/2000 de Ire Cour de Droit Civil, 13 février 2001

Date de Résolution13 février 2001
SourceIre Cour de Droit Civil

[AZA 0/2]

1P.638/2000/bie

  1. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG

**********************************

  1. Februar 2001

    Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,

    Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,

    Bundesrichter Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Forster.

    ---------

    In Sachen

    J.________, Muri, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Thomas Perler, Christoffelgasse 7, Postfach 6826, Bern,

    gegen

    Generalprokurator des Kantons Bern, Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Bern,

    betreffend

    Art. 32 Abs. 1 BV(Kostenauferlegung und Verweigerung der Parteientschädigung

    nach Freispruch und Verfahrenseinstellung), hat sich ergeben:

    A.-Mit Urteil vom 31. Mai 2000 sprach der Gerichtspräsident 13 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen J.________ von der Anklage der Anmassung eines akademischen Titels (Art. 14a des bernischen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch) frei. Diesbezüglich wurden weder Verfahrenskosten ausgeschieden, noch dem Freigesprochenen eine Parteientschädigung zugesprochen. Gleichzeitig verurteilte der Gerichtspräsident den Angeklagten wegen Widerhandlung gegen Art. 47 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. a und c des bernischen Gesundheitsgesetzes (widerrechtliche Ausübung einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und Abgabe bzw. Anwendung von Heilmitteln, begangen zwischen ca. 1980 und 4. Juni 1998) zu einer Busse von Fr. 1'500.-- und zur Übernahme der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'200.--.

    B.-Gegen das erstinstanzliche Urteil erklärte J.________ am 8. Juni 2000 die Appellation. Mit Erkenntnis vom 1. September 2000 gab das Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Bern dem Strafverfahren betreffend Widerhandlung gegen das Gesundheitsgesetz wegen Eintritts der absoluten Strafverfolgungsverjährung keine weitere Folge. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'200.-- wurden J.________ auferlegt. Eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren wurde ihm verweigert.

    C.-Gegen den Entscheid des Obergerichtes gelangte J.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Oktober 2000 an das Bundesgericht. Er rügt eine Verletzung der Bundesverfassung (Art. 9, Art. 27 und Art. 32 Abs. 1 BV) sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Ziff. 2 und Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK), und er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.

    Das Obergericht und der Generalprokurator des Kantons Bern beantragen mit Stellungnahmen vom 26. Oktober bzw.

  2. November 2000 die Abweisung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

  3. -Der Beschwerdeführer wurde von den kantonalen Behörden der Widerhandlung gegen Art. 47 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. a und c des bernischen Gesundheitsgesetzes vom 2. Dezember 1984 (GG/BE) angeklagt und erstinstanzlich verurteilt.

    Das inkriminierte Verhalten (medizinische Berufsausübung bzw. Heilmittelabgabe ohne Bewilligung) habe gemäss Anklage bis zum 4. Juni 1998 gedauert. Da es sich beim Straftatbestand um eine Übertretung handelt, welche nach zwei Jahren absolut verjährt (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 StGB), stellte das Obergericht am 1. September 2000 das Verfahren wegen Eintritts der Strafverfolgungsverjährung ein (Art. 309 Abs. 2 StrV/BE). Dennoch wurden dem Beschwerdeführer die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auferlegt und es wurde ihm eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren verweigert.

    Der Beschwerdeführer rügt, in der Kostenauflage und Verweigerung der Parteientschädigung liege "schlichtweg ein strafrechtlich motivierter Vorwurf". Dieser widerspreche der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung.

    Ausserdem verletze der angefochtene Entscheid das Willkürverbot von Art. 9 BV und die in Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK gewährleisteten Parteirechte.

  4. -a) Gemäss Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK (s. auch Art. 14 Ziff. 2 UNO-Pakt II) wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld vermutet, dass jeder Rechtsunterworfene unschuldig ist. Ein analoges prozessuales Grundrecht hat die bundesgerichtliche Rechtsprechung auch schon aus Art. 4 der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 (aBV) abgeleitet (BGE 123 I 221 E. II/3f S. 238 f.; 120 Ia 31 E. 2b S. 35, 147 E. 3b S. 155, je mit Hinweisen).

    a

    1. Nach der Praxis des Bundesgerichtes ist es mit dem verfassungsmässigen Grundsatz der Unschuldsvermutung nicht vereinbar, einem nicht verurteilten Angeschuldigten Verfahrenskosten aufzuerlegen oder ihm eine Parteientschädigung zu verweigern, gestützt auf den - direkten oder indirekten - Vorwurf, er habe sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches Verschulden. Dagegen ist es zulässig, dem Betroffenen die Kosten dann zu überbinden, wenn er in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise (d.h. im Sinne einer analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze) gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die aus der gesamten schweizerischen Rechtsordnung stammen kann, klar verstossen und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat (BGE 120 Ia 147 E. 3b S. 155; 119 Ia 332 E. 1b S. 334; 116 Ia 162 E. 2e S. 175; 115 Ia 309 E. 1a S. 310, je mit Hinweisen).

      Widerrechtlich im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR...

Pour continuer la lecture

SOLLICITEZ VOTRE ESSAI

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT