Arrêt nº 2A.456/2000 de IIe Cour de Droit Public, 22 janvier 2001

Conférencierpublié
Date de Résolution22 janvier 2001
SourceIIe Cour de Droit Public

veröffentlichter Text

Chapeau

127 II 91

9. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Januar 2001 i.S. EDI gegen Genossenschaftsverband Schweizer Milchproduzenten (SMP), Gesundheits- und Fürsorgedirektion sowie Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Faits à partir de page 92

BGE 127 II 91 S. 92

Der Genossenschaftsverband Schweizer Milchproduzenten (SMP) warb in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 in verschiedenen Printmedien mit einem Inserat, das den Slogan "Milch gibt starke Knochen" trug und folgenden Text enthielt:

"Mit Milch wird man gross und stark. Und bleibt es auch. Denn das

Kalzium in der Milch hilft mit, der Knochenbrüchigkeit im Alter

vorzubeugen, der sogenannten Osteoporose. Von dieser Krankheit ist heute

bereits jede dritte Frau über 50 betroffen. Und zunehmend leiden auch

Männer darunter. Jeder Mensch sollte deshalb täglich mindestens drei

Portionen Milch zu sich nehmen: zum Beispiel 1 Glas Milch, 1 Becher

Joghurt und 1 Stück Käse. Weitere Informationen finden Sie unter

www.swissmilk.ch".

BGE 127 II 91 S. 93

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) forderte am 25. Oktober 1999 das Kantonale Laboratorium Bern auf, "in koordinierter Vorgehensweise mit dem Kantonsapotheker" die sich bezüglich dieser Anpreisung "aufdrängenden" Massnahmen einzuleiten. Dieses untersagte dem Genossenschaftsverband in der Folge, weiterhin die Aussage zu verwenden, "hilft mit, der Knochenbrüchigkeit im Alter vorzubeugen, der sog. Osteoporose. Von dieser Krankheit...". Auf Einsprache hin bestätigte es die Anordnung am 3. November 1999; die hiergegen gerichtete Beschwerde an die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte die Direktion aus, dass die umstrittene Werbung eine mit Art. 19 Abs. 1 lit. c der Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995 (LMV; SR 817.02) unvereinbare Heilanpreisung enthalte; indem sie die Ausdrücke "Osteoporose" und "Krankheit" verwende, erwecke sie den Eindruck, der Milchkonsum habe eine vorbeugende Wirkung gegen eine Krankheit. Da für diese Behauptung der heilmittelrechtlich notwendige Beweis nicht erbracht sei, verstosse der Hinweis gegen das Täuschungsverbot gemäss Art. 18 des Bundesgesetzes vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (Lebensmittelgesetz, LMG; SR 817.0). Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hob diesen Entscheid am 18. August 2000 auf, da der zu beurteilende Sachverhalt ("Anpreisung von Nahrungsmittel als Heilmittel") weder der Heil- noch der Lebensmittelgesetzgebung zugeordnet werden könne und deshalb eine gesetzliche Grundlage für das umstrittene, in Grundrechtspositionen eingreifende Verbot fehle.

Hiergegen hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) am 29. September 2000 Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht heisst diese gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und bestätigt die Verfügung des Kantonalen Laboratoriums Bern

Extrait des considérants:

aus folgenden Erwägungen:

1. Gegen die auf der eidgenössischen Lebensmittelgesetzgebung beruhende Verfügung des Kantonalen Laboratoriums Bern steht letztinstanzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen (vgl.BGE 117 Ib 441 E. 1d S. 445, mit Hinweisen; Art. 54 LMG; Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG [SR 172.021] sowie Art. 98 lit. g und Art. 98a OG). Es gilt dabei die Beschwerdefrist von 30 Tagen nach Art. 106 OG und nicht jene von 10 Tagen gemäss Art. 55 Abs. 2 LMG (unveröffentlichtesBGE 127 II 91 S. 94

Urteil des Bundesgerichts vom 23. Juni 2000 i.S. EDI, E. 1c). Auf die frist- und formgerecht eingereichte Eingabe des nach Art. 103 lit. b OG beschwerdelegitimierten Departements (vgl.BGE 125 II 192 E. 2b S. 196) ist demnach einzutreten.

2. Das Kantonale Laboratorium und die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern untersagten den umstrittenen Teil der Werbung des Beschwerdegegners gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. c LMV. Danach sind werbende Hinweise irgendwelcher Art verboten, die einem Lebensmittel Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck erwecken, es könnten solche vorhanden sein. Zulässig sind Hinweise auf die Wirkung von Zusätzen essentieller oder ernährungsphysiologisch nützlicher Stoffe zu Lebensmitteln aus Gründen der Volksgesundheit sowie auf die besondere Zweckbestimmung oder die ernährungsphysiologische Wirkung von Speziallebensmitteln. Das Verwaltungsgericht verneinte die Zulässigkeit des Verbots, weil sich Art. 19 Abs. 1 LMV nur insoweit auf Art. 18 Abs. 2 und 3 LMG stützen könne, als sich die in Frage stehende Anpreisung als "tatsachenwidrig" erweise, was hier nicht der Fall sei. Nach Art. 18 LMG sei es verboten, ein Lebensmittel mit Beschaffenheitsangaben anzupreisen, die nicht den Tatsachen entsprächen (Art. 18 Abs. 1 LMG) oder den Konsumenten täuschten (Art. 18 Abs. 2 LMG), was namentlich für Angaben gelte, die geeignet erschienen, beim Konsumenten falsche Vorstellungen über besondere Wirkungen und den Wert des Lebensmittels zu wecken (Art. 18 Abs. 3 LMG). Das Täuschungsverbot von Art. 19 Abs. 1 lit. c LMV, das sämtliche Heilanpreisungen - und nicht nur die tatsachenwidrigen - für unzulässig erkläre, sprenge diesen gesetzlichen Rahmen. Im Übrigen fielen Grundnahrungsmittel wie die Milch nicht mehr unter das Lebensmittelrecht, sobald mit einer krankheitsvorbeugenden Wirkung geworben werde. Das entsprechende Anpreisungsverbot finde in der Abgrenzung von Lebens- und Heilmitteln keine hinreichende gesetzliche Grundlage, denn der Ausschluss bestimmter Sachverhalte vom Anwendungsbereich eines Gesetzes ermächtige den Verordnungsgeber nicht, "(ausgerechnet) über diese Gegenstände gesetzesergänzende Regelungen aufzustellen". Nach dem Heilmittelrecht liege dem Arzneimittelbegriff ein zweckgerichteter Ansatz zugrunde; danach sei entscheidend, "ob das Erzeugnis vorrangig zu Ernährungszwecken oder zur medizinischen Verwendung hergestellt und vermarktet" werde, während das Lebensmittelrecht lediglich darauf abstelle, ob dasBGE 127 II 91 S. 95

umstrittene Erzeugnis "als Heilmittel angepriesen" werde (Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 4 lit. b LMG, wonach das Lebensmittelgesetz nicht für Stoffe und Erzeugnisse gilt, "die von der Heilmittelgesetzgebung erfasst werden"). Nach der heilmittelrechtlichen Umschreibung falle die Milch wegen ihrer primären Zweckbestimmung als Nahrungsmittel nicht unter das Arzneimittelrecht; umgekehrt komme das lebensmittelrechtliche Verbot nicht zur Anwendung, da die Milch mit einer nicht tatsachenwidrigen krankheitsvorbeugenden Wirkung angepriesen worden sei. Der Bundesgesetzgeber habe im Lebensmittelrecht insofern eine planwidrige Unvollständigkeit geschaffen, die nicht durch das Gericht zu korrigieren sei.

3. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verkennen das Verhältnis zwischen Lebensmittel- und Arzneimittelrecht:

  1. aa) Art. 19 LMV will zum Schutz der Konsumenten tatsachenwidrige Informationen verhindern. Dementsprechend hält er fest, dass die für Lebensmittel verwendeten Bezeichnungen, Angaben, Abbildungen, Packungen und Packungsaufschriften sowie Arten der Aufmachung den Tatsachen entsprechen müssen und nicht zur Täuschung über Natur, Herkunft, Herstellung, Zusammensetzung, Produktionsart, Inhalt, Haltbarkeit usw. Anlass geben dürfen (Art. 19 Abs. 1 LMV). Insofern deckt er sich mit Art. 18 Abs. 3 LMG, wonach täuschend "namentlich" Angaben und Aufmachungen sind, die geeignet erscheinen, beim Konsumenten falsche Vorstellungen über Herstellung, Zusammensetzung, Beschaffenheit, Produktionsart, Haltbarkeit, Herkunft, besondere Wirkungen und Wert des Lebensmittels zu wecken. Daneben kommt Art. 19 LMV aber auch - was das Verwaltungsgericht verkennt - Sicherungsfunktion hinsichtlich der Abgrenzung zu den Arzneimitteln zu, da auch insofern - losgelöst vom konkreten Wahrheitsgehalt der werbenden Aussage - Täuschungsgefahr besteht. Nahrungsmittel sind zur Ernährung bestimmt und dienen mit ihrem Anteil an Wasser, Eiweiss, Fetten, Kohlenhydraten, Mineralstoffen, Vitaminen und Ballaststoffen dem Aufbau und Unterhalt des menschlichen Körpers (so die Botschaft des Bundesrats vom 30. Januar 1989 zum Lebensmittelgesetz, BBl 1989 I 893 ff. insbesondere S. 919); sie bezwecken als solche nicht die Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit; dies ist den Heilmitteln vorbehalten. Art. 3 Abs. 2 LMG bezeichnet jene Erzeugnisse als Nahrungsmittel, "die dem Aufbau oder dem Unterhalt des menschlichen Körpers dienen und nicht als Heilmittel angepriesen werden"; das Lebensmittelgesetz gilt seinerseits nichtBGE 127 II 91 S. 96

    für Stoffe und Erzeugnisse, die von der Heilmittelgesetzgebung erfasst werden (Art. 2 Abs. 4 lit. b LMG). Bei Erlass des Lebensmittelgesetzes haben sich Bundesrat wie Parlament mit Blick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten zwar auf den Standpunkt gestellt, dass es den Anbietern überlassen sein soll, ihre Produkte als Heilmittel oder als Lebensmittel auf den Markt zu bringen (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 1. März 1999 zu einem Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte; Heilmittelgesetz; BBl 1999 S. 3453 ff. insbesondere S. 3481). Hieraus lässt sich indessen nicht ableiten, dass ein Nahrungsmittel, das (in Missachtung eines Werbeverbots) mit einer krankheitsvorbeugenden Wirkung beworben wird, weder unter die Lebensmittel- noch unter die Heilmittelgesetzgebung fällt, läge es doch sonst in der Hand des Lebensmittelherstellers, darüber zu befinden, ob das lebensmittelrechtliche Verbot auf sein Produkt anwendbar ist oder nicht. Die Missachtung eines Werbeverbots lässt keinen Rückschluss auf die Klassifikation als Lebensmittel oder Heilmittel zu (vgl. KIETHE/GROESCHKE, Die Bewerbung funktioneller Lebensmittel mit gesundheitsdienlichen Aspekten, in: Wettbewerb in Recht und Praxis [WRP] 15/1999 S. 973 ff. insbesondere S. 975). Zu Recht geht vorliegend denn auch niemand ernsthaft davon aus, die...

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