Arrêt nº 6S.162/2000 de Cour de Droit Pénal, 20 décembre 2000

Date de Résolution20 décembre 2000
SourceCour de Droit Pénal

[AZA 0/2]

6S.162/2000/bue

KASSATIONSHOF

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Sitzung vom 20. Dezember 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth,

Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider,

Wiprächtiger, Kolly, Bundesrichterin Escher und Gerichtsschreiber Weissenberger.

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In Sachen

M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Josephsohn, Lutherstrasse 4, Zürich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich,

betreffend

fahrlässige schwere Körperverletzung, Unterlassung der Nothilfe, Erpressung usw. ; Strafzumessung, Verwahrung; (eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 25. November 1999), hat sich ergeben:

A.- Mit Beschluss vom 25. Januar 1999 trat das Bezirksgericht Zürich, 8. Abteilung, auf die Anklage gegen M.________ betreffend Sachbeschädigung in zwei Fällen sowie auf die Anklage wegen Diebstahls in zwei Fällen mangels Strafantrags nicht ein. Mit Urteil vom selben Tag sprach das Gericht M.________ schuldig der fahrlässigen schweren Körperverletzung (Art. 125 Abs. 2 StGB), der Unterlassung der Nothilfe (Art. 128 StGB), des mehrfachen Raubes (Art. 140 Ziff. 1 StGB), der Erpressung (Art. 156 Ziff. 1 und 3 StGB), der mehrfachen, teilweise geringfügigen Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB, teilweise i.V.m. Art. 172ter StGB), des mehrfachen Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB), des mehrfachen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 StGB), der mehrfachen falschen Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 StGB), der mehrfachen Entwendung eines Motorfahrzeuges zum Gebrauch (Art. 94 Ziff. 1 SVG), des Fahrens ohne Führerausweis (Art. 95 SVG) sowie des mehrfachen Missbrauchs von Ausweisen und Schildern (Art. 97 Ziff. 1 SVG) und bestrafte ihn mit 14 Jahren Zuchthaus, unter Einrechnung der bis dahin ausgestandenen Haft von 829 Tagen. An Stelle des Vollzugs der ausgesprochenen Strafe ordnete das Gericht eine Verwahrung nach Art. 42 Ziff. 1 StGB an.

B.- Auf Berufung des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 25. November 1999 den Einstellungsbeschluss des Bezirksgerichts und trat darüber hinaus auf die Anklage wegen Fahrens ohne Führerausweis in drei Fällen zufolge Verjährung nicht ein. Mit Urteil vom gleichen Tag bestätigte das Obergericht ansonsten die Schuldsprüche der ersten Instanz und verurteilte M.________ zu 10 Jahren Zuchthaus, unter Einrechnung von 1133 Tagen Untersuchungs- und Sicherheitshaft. An Stelle des Vollzugs der verhängten Strafe ordnete das Obergericht die Verwahrung von M.________ im Sinne von Art. 42 Ziff. 1 StGB an.

C.- Eine von M.________ dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 19. Juni 2000 vollumfänglich ab.

D.- M.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.

E.- Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.- Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung zum Nachteil von P.________ (Beschwerde, S. 2-6).

  1. Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) hielt sich der Beschwerdeführer am Abend des 8. Oktober 1996 zusammen mit W.________ während mehrerer Stunden in einem Animierlokal im Zürcher Niederdorf auf. Eine verbale Auseinandersetzung mit der Serviertochter bewog W.________, den Beschwerdeführer in seine Wohnung an der B.Strasse zu schicken, um die dort aufbewahrte Pistole "SIG 230" zu holen. Der Beschwerdeführer kam dieser Aufforderung nach und brachte die Pistole W.________ in das Animierlokal. Der Beschwerdeführer selbst trug zu jenem Zeitpunkt eine Schreckschusspistole "Browning" auf sich. In der Folge bedrohte W.________ im Animierlokal und von dort auf dem Weg zur Limmat verschiedene Personen mit seiner Pistole. Am Ufer der Limmat schoss W.________ in Anwesenheit des Beschwerdeführers mit der Pistole ein Mal in die Luft. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber dem Gutachter und an der Berufungsverhandlung schloss die Vorinstanz, dass er spätestens nach dieser Schussabgabe wusste, dass die "SIG 230" mit scharfer Munition geladen und schussbereit war. Später am Abend versuchte W.________ an einer Busstation im Bereich der Pfingstweidstrasse in Zürich, Autostopp zu machen. Zuvor legte er die Pistole neben dem Beschwerdeführer auf eine Sitzbank. Als der Autofahrer P.________ auf das Zeichen von W.________ anhielt, steckte der Beschwerdeführer die SIG-Pistole zu seiner Schreckschusspistole in den Hosenbund und stieg zusammen mit W.________ in das Fahrzeug des P.________.

    Nach einer Fahrt von wenigen Minuten hielt P.________ auf Wunsch von W.________ bei der Sihlfehldstrasse an.

    In diesem Zeitpunkt fasste der auf dem Rücksitz hinter dem Fahrer sitzende Beschwerdeführer spontan den Entschluss, P.________ zu berauben. Zu diesem Zweck behändigte er eine der beiden Pistolen in seinem Hosenbund, hielt sie gegen den Hinterkopf des Fahrers und spannte den Hahn. Dabei löste sich ein Schuss, der P.________ lebensgefährlich verletzte (Durchschuss des Halses mit Verletzung der lokalen Organe - Schulternerv, Zungennerv, Halswirbelkörper und Arteria vertebralis).

    In rechtlicher Hinsicht führt die Vorinstanz aus, der objektive Tatbestand der fahrlässigen schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 125 Abs. 2 StGB sei erfüllt. Subjektiv sei ergänzend zur Erstinstanz anzumerken, dass der Beschwerdeführer einem Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 19 Abs. 1 StGB erlegen sei. Er habe im irrigen Glauben gehandelt, die Schreckschusspistole und nicht die mit scharfer Munition geladene "SIG 230" auf das Opfer zu richten. Zu prüfen bleibe, ob der Beschwerdeführer seinen Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht hätte vermeiden können (Art. 19 Abs. 2 StGB). Dies sei zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe "ausgeprägt grobfahrlässig" gehandelt. Er habe gewusst, dass er zwei Pistolen in seinem Hosenbund mit sich führte und die eine mit scharfer Munition geladen und schussbereit war.

    Daran vermöge seine Alkoholisierung nichts zu ändern, lägen doch sowohl auf Grund der Aussagen des Opfers als auch der Ausführungen des Gutachters keine Hinweise auf eine schwere Bewusstseinsstörung im Sinne eines alkoholischen Vollrausches oder eines so genannt abnormen Rausches vor. Wie der Gutachter überzeugend ausführe, lasse das Verhalten des Beschwerdeführers auf ein durchgehendes und nachvollziehbares Handlungsmuster schliessen, das keine positiven Hinweise auf eine alkoholtoxische oder sonstwie zu Stande gekommene Beeinträchtigung psychischer Funktionen erkennen lasse. Es sei daher aus gutachterlicher Sicht die Annahme einer Aufhebung oder erheblichen Beeinträchtigung psychischer Funktionen, die Einsichtsfähigkeit und/oder Willenssteuerung betreffen, nicht begründbar. Unter diesen Umständen habe der Beschwerdeführer sehr wohl realisieren können, dass er zwei Pistolen mit sich führte und eine der Waffen geladen und schussbereit war. Indem er in dieser Situation im Dunkeln und ohne nähere Prüfung wahllos eine der beiden äusserlich sehr ähnlichen Pistolen zog, deren Hahn spannte und sie gegen den Hinterkopf von P.________ richtete, habe er in höchstem Masse grobfahrlässig gehandelt (angefochtenes Urteil, S. 36-40).

  2. aa) Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft so genannte innere Tatsachen, ist damit Tatfrage (BGE 122 IV 156 E. 2b; 121 IV 90 E. 2b, je mit Hinweisen) und kann dem Bundesgericht im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Überprüfung unterbreitet werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP). Keine Tat- sondern Rechtsfrage ist hingegen, ob die kantonale Instanz auf der Grundlage der verbindlich festgestellten subjektiven Vorstellungen des Täters zu Recht Fahrlässigkeit bejaht hat. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen der Vorinstanz richtet, was er zur Zeit der Tat wusste bzw. annahm, ist er daher nicht zu hören.

    bb) Gestützt auf die von der Vorinstanz festgestellten Tatsachen lag die Annahme eines Vorsatzdeliktes (eventualvorsätzliche schwere Körperverletzung; Gefährdung des Lebens) ähnlich nahe wie die Bejahung einer fahrlässig begangenen Körperverletzung. Die Vorinstanz hat ein Vorsatzdelikt verneint, aber eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung des Beschwerdeführers und die weiteren Tatbestandsmerkmale von Art. 125 Abs. 2 StGB bejaht. Der Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht. Auf die durchwegs zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz kann vollumfänglich verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).

    2.- Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe ihn zu Unrecht wegen unterlassener Nothilfe zum Nachteil von P.________ verurteilt. Er sei davon ausgegangen, das Opfer sei tot oder liege zumindest im Sterben. Da die fahrlässige Begehung der Unterlassung der Nothilfe nicht strafbar sei, hätte auf Grund seines entschuldbaren Sachverhaltsirrtums ein Freispruch erfolgen müssen (Beschwerde, S. 6 ff.).

  3. Der Unterlassung der Nothilfe nach Art. 128 Abs. 1 StGB macht sich schuldig, wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte.

    Im hier zu beurteilenden Fall steht einzig zur Diskussion, ob der Beschwerdeführer den subjektiven Tatbestand des Art. 128 Abs. 1 StGB erfüllt hat. Der subjektive Tatbestand erfordert Vorsatz hinsichtlich der...

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