Arrêt nº 6P.165/1999 de Cour de Droit Pénal, 2 août 2000

Date de Résolution 2 août 2000
SourceCour de Droit Pénal

[AZA 0]

6P.165/1999/hev

KASSATIONSHOF

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  1. August 2000

    Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und Gerichtsschreiber Weissenberger.

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    In Sachen

    X.________,

    Y.________,

    Beschwerdeführer, beide vertreten durch Fürsprecher Martin Brauen, Niederlenzerstrasse 27, Lenzburg,

    gegen

    StaatsanwaltschaftdesKantons A a r g a u,

    ObergerichtdesKantons A a r g a u,

    B.________,

    C.________,

    D.________ und

    E.________,

    Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Rainer Schumacher, Oberstadtstrasse 7, Baden,

    betreffend

    Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK (Strafverfahren,

    willkürliche Beweiswürdigung); (staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des

    Obergerichts des Kantons Aargau, 2. Strafkammer,

    vom 9. Juni 1999), hat sich ergeben:

    A.-

    1. Am 5. Februar 1993 nahm A.________ an einer dreitägigen körperorientierten Gruppentherapie (primärorientierte Körpertherapie) in der psychologischen Gemeinschaftspraxis in W.________ teil. Im Verlauf der von Y.________ und X.________ geleiteten Therapiesitzung begann A.________ plötzlich heftige Gefühle zu zeigen. Er fing an, bäuchlings über die am Boden ausgelegten Matratzen zu robben. Diese Bewegung löste in den Therapeuten die Vorstellung aus, A.________ wolle "durch etwas hindurchkriechen". Um dies zu unterstützen, bildete X.________ mit seinem Oberkörper eine Art Brücke, unter die A.________ hindurchkriechen sollte. Nachdem A.________ die Mitte des Raumes erreicht hatte, ruhte er sich eine Weile aus. Diesen Ablauf bezeichnete X.________ als erste Phase).

      In der zweiten Phase begann A.________ sich wieder zu bewegen und kroch langsam auf einen am Rande sitzenden Teilnehmer zu. Um diesen zu schützen, legte X.________ A.________ ein Kissen vor den Kopf. A.________ stiess dann mit dem Kopf heftig gegen das Kissen. Als der am Rand sitzende Teilnehmer sich entfernt hatte, ging auch X.________ zur Seite. Die Aggressionen von A.________ nahmen jedoch immer mehr zu. Er keuchte und schien einen innerlichen Kampf auszutragen. X.________ legte sich deshalb erneut über den Körper seines Patienten, um einen Tunnel als symbolischen Widerstand zu bilden. Da A.________ versuchte, sich aufzubäumen und seinen Therapeuten abzuwerfen, bat dieser eine Teilnehmerin, ihn an den Hüften zu stabilisieren. A.________ beruhigte sich jedoch nicht. X.________ lag nun mit seinem Körper quer über dessen Schulterpartie und gab Gegendruck, sobald sich A.________ aufzurichten versuchte. Da dieser mit den Füssen wild um sich schlug, kam Y.________ zu Hilfe, legte A.________ ein Kissen über die Unterschenkel und drückte mit seinem nach vorne gebeugten Oberkörper nach unten. In der Folge rief A.________ mehrmals "Höret uf ihr Arschlöcher". Y.________ antwortete ihm, er müsse das Codewort "Stopp" sagen, wenn er aufhören wolle. Da A.________ nicht "Stopp" rief, und in der Meinung, der Ausspruch "höret uf ihr Arschlöcher" habe nicht ihnen gegolten, sondern sei Teil des therapeutischen Prozesses, drückten ihn die beiden Therapeuten weiter in die Matten. Angesichts des mehrminütigen Vorganges wurde es den anderen Anwesenden unwohl. Eine Teilnehmerin forderte die Therapeuten dazu auf, die Behandlung abzubrechen. X.________ erwiderte ihr, sie könne nicht für jemand anderen "Stopp" sagen, weshalb sie mit Zwischenrufen A.________ zum Stoppsagen aufforderte. Plötzlich erschlaffte der Körper von A.________, worauf X.________ bemerkte, diesen Weg ohne Gegenwehr kenne er (A.________) bereits, weshalb er doch einen neuen gehen solle. Nachdem A.________ nicht reagierte, stellten die beiden Therapeuten fest, dass er bewusstlos war und nicht mehr atmete. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

      Die Therapeuten hatten während des ganzen Eingriffs weder das nach unten gedrückte Gesicht des Patienten beobachten noch erkennen können, wie weit das Kissen dessen Kopf zudeckte und wo und in welcher Stellung dieser sich genau befand. Erst als die Therapeuten A.________ auf den Rücken drehten, erkannten sie, dass sein Gesicht genau im Kreuz zwischen vier Matratzen lag. Zu Gunsten der Therapeuten wurde angenommen, die Phase, in der sie intensiven körperlichen Druck bzw. Gegendruck auf den Körper von A.________ ausübten, habe nur wenige Minutengedauert.

    2. Die vom Untersuchungsrichter beauftragten Sachverständigen Proff. Dr. med. Ulrich Zollinger und Richard Dirnhofer fassten in ihrem Gutachten die Untersuchungsergebnisse folgendermassen zusammen:

      Wir kommen aufgrund der im Protokoll der Obduktion festgehaltenen Befunde, der nachvollzogenen histologischen Befunde, der Rekonstruktion und der Akten zum Schluss, dass Herr A.________ durch das Niederdrücken anlässlich der Primärtherapie psychisch und physisch stark belastet und seine Atmung durch Druck auf den Thorax behindert wurde. Für eine Erstickung durch mechanische Verlegung der Atemwege gibt es keine Beweise.

      Wegen des in dieser Situation erhöhten Sauerstoffbedarfes und einer vorbestehenden Gefässeinengung (fibromuskuläre Dysplasie) an einer Herzarterie, die auch das Erregungsleitungssystem des Herzens versorgt, kam es zu einer Minderdurchblutung mit Sauerstoffmangel im Versorgungsgebiet der Arterie. Dies hatte ein tödliches Herzkammerflimmern zur Folge. Aus rechtsmedizinischer Sicht ist somit zwischen der therapeutischen Handlung und dem Tod ein natürlicher Kausalzusammenhang gegeben.

      In dem vom Obergericht des Kantons Aargau in Auftrag gegebenen Ergänzungsgutachten gelangten die Sachverständigen zu im Wesentlichen gleichen Schlüssen, die sie wie folgt zusammenfassen:

      "1. Die Kausalkette, die zum Tode von Herrn A.________ geführt hat, besteht aus den folgenden Kettengliedern: zunehmende physische und psychische Belastung, relevante Atembehinderung durch äussere Einwirkung der Therapeuten und fibromuskuläre Dysplasie (FMD) der AV-KnotenArterie.

  2. Auch die Zwerchfellatmung war in der gegebenen Situation relevant behindert.

  3. Da die äussere Einwirkung in diesem Fall einen Teil der Kausalkette darstellt, handelt es sich hinsichtlich der Todesart nicht um einen natürlichen Tod.

  4. Die Stauungsblutungen waren mit Sicherheit nicht durch die Reanimation, sondern wahrscheinlich durch die Atembehinderung mit Pressatmung bedingt. Möglicherweise wurden sie durch die u.E. kurzzeitige Bauchlage am Fundort vergrössert. Es ist auszuschliessen, dass die Leiche im Kantonsspital Aarau in Bauchlage gelagert wurde.

  5. Die FMD war bei Herrn A.________ so ausgeprägt, dass ihr hinsichtlich des Todeseintritts ein Stellenwert zukommt.

  6. Die unmittelbare Todesursache war höchst wahrscheinlich ein Herzkammerflimmern.

  7. Für einen Erstickungstod fehlen die Beweise. Ausschliessen kann man einen Erstickungstod deshalb aber nicht.

  8. Der Tod ist in der letzten Phase einer länger dauernden Therapiesitzung eingetreten, nachdem die Kräfte von Herrn A.________ nachgelassen haben und der Druck von ihm dennoch nicht weggenommen wurde. Alle Hypothesen, dass der Tod auch früher hätte eintreten können, sind nicht belegbare Spekulationen. "

    B.- Mit (separaten) Urteilen vom 6. Mai 1997 sprach das Bezirksgericht Brugg X.________ und Y.________ der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) schuldig und verurteilte sie je zu einer Busse von Fr. 2'000. --, für beide bedingt löschbar nach einer Probezeit von einem Jahr. Zudem wurden die Verurteilten solidarisch verpflichtet, Genugtuungen von Fr. 20'000. -- an die Witwe und von je Fr. 10'000. -- an die drei Kinder des Opfers zu bezahlen. Die Schadenersatzansprüche der Angehörigen wurden auf den Zivilweg verwiesen.

    Dagegen erhoben die Verurteilten Berufung und die Staatsanwaltschaft sowie die Zivilkläger Anschlussberufung. Am 9. Juni 1999 wies das Obergericht des Kantons Aargau die Berufungen ab und hiess die Anschlussberufungen teilweise gut. In Änderung der Dispositive der Urteile des Bezirksgerichts Brugg...

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