Arrêt nº 6S.108/2000 de Cour de Droit Pénal, 5 juin 2000

Conférencierpublié
Date de Résolution 5 juin 2000
SourceCour de Droit Pénal

veröffentlichter Text

Chapeau

126 IV 124

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 5. Juni 2000 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde)

Faits à partir de page 125

BGE 126 IV 124 S. 125

A.- A. hatte 1993 in St. Gallen B. kennen gelernt. Er musste Ende 1995 die Schweiz verlassen. Sie heirateten im April 1996 in Ghana. Im August 1996 konnte er wieder in die Schweiz einreisen. Nach der Rückkehr wurde die anfänglich schöne Beziehung allmählich bedrückend und bedrohlich und steigerte sich in einem steten Wechsel von Verweigerung und Druckausübung in ein Erdulden des Beischlafs. Sie gab nach, wenn sie die Situation nicht mehr aushielt.

Sie trennte sich am 28. März 1998 von ihm und erhob am 20. Juli 1998 Strafklage wegen Drohung, Tätlichkeit und sexueller Nötigung.

B.- Das Kantonsgericht St. Gallen sprach am 2. Dezember 1999 (im Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Bezirksgerichts St. Gallen vom 8. Dezember 1998) A. frei von den Anklagen der mehrfachen Nötigung und der mehrfachen Drohung (vor dem 20. Juli 1998). Es erklärte ihn schuldig der mehrfachen Vergewaltigung, der Drohung und der Tätlichkeit. Es verurteilte ihn zu 18 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Landesverweisung, jeweils mit Aufschub des Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es verpflichtete ihn, B. Fr. 3'000.- Schadenersatz und Fr. 10'000.- Genugtuung zu zahlen.

C.- A. erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts (mit Ausnahme der Freisprüche) aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

BGE 126 IV 124 S. 126

Extrait des considérants:

Aus den Erwägungen:

    1. Die Vorinstanz führt aus, nach der Rückkehr des Beschwerdeführers (Jahrgang 1967) in die Schweiz im August 1996 sei die anfänglich schöne Beziehung zu seiner Gattin (Jahrgang 1978) allmählich beengend, bedrückend und bedrohlich geworden und in einem steten Wechsel von Verweigerung des ehelichen Beischlafs, gesteigerter Druckausübung und schliesslichem Erdulden des Beischlafs eskaliert. "Es" habe sich zunächst "mehr in Traurigkeit abgespielt", "dann war es nur noch Streit und Wut". Sie habe nachvollziehbar dargelegt, wie sie keine Lust mehr gehabt habe, wie er zunächst gebeten und gebettelt und dann auf seine Rechte gepocht habe; wie er tagelang nicht mit ihr gesprochen, sie beleidigt und herabgemindert habe; wie er Türen zugeknallt, Gläser und Kerzenständer zerschlagen, ihr lieb gewordene Gegenstände zertrampelt, Filme aus dem Fotoapparat gerissen, ihre Kleider zerschnitten oder zerrissen sowie Fernseher und Video auf den Boden geworfen habe, bis sie psychisch erschöpft und völlig eingeschüchtert nachgegeben habe. Es habe aber auch Tage gegeben, wo sie nicht nachgegeben habe. Sie sei aber stets bei der Aussage geblieben, dass sie nicht mit körperlicher Gewalt gezwungen worden sei, sondern sie habe sich wegen des Drucks, den sein gesamtes Verhalten bei ihr erzeugt habe, "einfach hingelegt", so dass er sich habe "holen" können, was er dringend gewollt habe. Es sei wöchentlich zu derartigem Geschlechtsverkehr gekommen.

      Aus ihren Aussagen gehe aber nicht nur hervor, unter welchem gewaltigen Druck sie gestanden habe, sondern auch, wie wohlwollend sie ihm gegenüber immer noch eingestellt sei. Es sei nachvollziehbar, warum sie ihn nicht früher verlassen habe. Die kaum Achtzehnjährige sei ihm anfänglich sehr hörig gewesen und habe sich in einer zweiten Phase zu einer Trennung oder Scheidung ausser Stande gefühlt, weil sie vermutet habe, er würde dann ausgewiesen. Sie habe zudem ihre Ehe retten wollen. Es hätten sich ihr auch kaum Alternativen geboten. Angesichts vielschichtiger psychischer und sozialer Abhängigkeiten erscheine es nachvollziehbar, dass sie in dieser bedrückenden, zermürbenden, angstbesetzten und gewaltträchtigen Beziehung solange ausgeharrt und nicht früher Anzeige erstattet habe.

      Das stets wiederholte Drängen und Fordern, die zermürbenden Streitereien und das tagelange Schweigen, das Wüten und Demolieren, die subtilen psychischen Verletzungen, das gezielte ZerstörenBGE 126 IV 124 S. 127

      von Gegenständen mit Erinnerungs- oder anderweitigem Affektionswert, die Drohungen sowie das provozierende Sich-Betrinken stellten Handlungen dar, die vielleicht einzeln für sich jeweils auszuhalten seien, jedoch, wenn sie in dieser Häufung eingesetzt und überdies stetig gesteigert würden, längerfristig das Opfer in eine unerträgliche Lage versetzten. Zeitlich und qualitativ überschritten diese Verhaltensweisen das Mass bei weitem. Die für die Erfüllung des Tatbestands erforderliche Intensität des Zwangs sei damit erfüllt.

      Die Vielfalt der Druckmittel und das wiederkehrende, an Psychoterror grenzende Drangsalieren seien zudem ganz besonders geeignet, einen jungen, unsicheren und gerade in Liebesbeziehungen verletzlichen Menschen ohne tragendes soziales Auffangnetz zu ängstigen und zu zermürben und damit unerträglichem Druck auszusetzen. Angesichts einer gewissen, sich zur Tortur steigernden psychophysischen Dauerbelastung einerseits sowie der vielschichtigen Beziehung zu ihm und in ihrer latenten Sehnsucht nach einer harmonischen und langandauernden Partnerschaft anderseits sei verständlich und nachvollziehbar, dass sie in eine Zwangssituation geraten sei, aus der sie keinen andern Ausweg mehr gefunden habe, als den ehelichen Beischlaf zu erdulden, zumal nach der jeweiligen Hingabe der Druck kurzfristig etwas nachgelassen habe. Angesichts ihrer Persönlichkeit sowie der aus ihrer sozialen Lage resultierenden Idealvorstellungen sei der Druck auch nach individuellem Massstab von hinreichender Intensität gewesen. Damit sei das Tatbestandsmerkmal des psychischen Drucks objektiv erfüllt.

    2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 190 StGB. Nicht jedes Verhalten, das im Durchschnittssprachgebrauch vielleicht als "Psychoterror" bezeichnet werden könnte, sei psychisches Unterdrucksetzen. Vorausgesetzt werden müsse ein qualifizierter, systematischer, zielgerichteter, eigentlich planmässiger Aufbau dieses psychischen Drucks, unter Ausnützung einer bestimmten Autoritäts- oder Vormachtstellung, der das Opfer schlicht nicht mehr auszuweichen vermöge.

      Aus den Schilderungen der Ehegattin werde jedoch spürbar, dass sie gerade nicht zum Widerstand unfähig gewesen sei. Sie habe sich durchaus zu wehren gewusst, habe auch geschlagen, laut werden können und Gegenstände herumgeworfen (was von der Vorinstanz allerdings nicht erwähnt werde). Es sei auch vorgekommen, dass sie ihn "fertig gemacht"...

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