Arrêt nº 6P.132/1999 de Cour de Droit Pénal, 3 mars 2000

Date de Résolution 3 mars 2000
SourceCour de Droit Pénal

[AZA 0]

6P.132/1999/odi

6S.488/1999

KASSATIONSHOF

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Sitzung vom 3. März 2000

Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly und Gerichtsschreiber Näf.

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In Sachen

I.________, Beschwerdeführer,

gegen

StaatsanwaltschaftdesKantons B a s e l - S t a d t,

Appellationsgericht (Ausschuss) des Kantons Basel-Stadt,

betreffend

Art. 4 aBV und Art. 6 EMRK (Strafverfahren; Befangenheit,

Anklagegrundsatz, rechtliches Gehör etc. );

mehrfache Rassendiskriminierung (Art. 261bis StGB); hat sich ergeben:

A.- 1. I.________ ist verantwortlicher Redaktor von "Recht + Freiheit", dem Mitteilungsblatt des Vereins "Presseclub Schweiz", und Verfasser von mehreren darin erschienenen Beiträgen.

  1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel- Stadt erhob gegen I.________ Anklage wegen mehrfacher Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261bis StGB. Da nach Auffassung der Anklagebehörde nicht nur einzelne Passagen, sondern vor allem der Inhalt der Artikel in ihrer Gesamtheit antisemitisch sei, wurden die als rassistisch erscheinenden Ausgaben Nr. 4 und 5/95 vom 2. Oktober 1995, Nr. 6/95 vom 27. November 1995 und Nr. 1/96 vom 19. Februar 1996 vollständig in die Anklageschrift integriert. Diese enthält zudem einzelne Passagen aus einzelnen Artikeln, durch welche insbesondere auch die Massenvernichtung der Juden in den Konzentrationslagern gröblich verharmlost bis geleugnet werde.

    B.- Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte I.________ am 18. September 1997 wegen mehrfacher Rassendiskriminierung in Anwendung von Art. 261bis Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 und Abs. 4 StGB, teilweise i.V.m. Art. 27 Ziff. 3 StGB, zu drei Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren.

    Auf Appellation von I.________ bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 24. März 1999 den erstinstanzlichen Entscheid. Aus den Urteilserwägungen geht hervor, dass das Appellationsgericht allerdings mehrere Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildende Äusserungen abweichend von der ersten Instanz als nicht tatbestandsmässig erachtet hat.

    C.- I.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde. In beiden Eingaben beantragt er die Aufhebung des Urteils des Appellationsgerichts. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

    Das Appellationsgericht beantragt die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft hat auf Vernehmlassung zu den beiden Beschwerden verzichtet.

    Die Bundesanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.

    Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    1. Zur staatsrechtlichen Beschwerde

  2. - a) Der Beschwerdeführer beanstandet unter Hinweis auf die umfangreiche diesbezügliche Korrespondenz (Beschwerdebeilagen 2 - 16), dass ihm im Appellationsverfahren kein amtlicher Verteidiger beigeordnet wurde. Darin sieht er einen Verstoss gegen die Bundesverfassung und gegen Art. 6 EMRK. Die Verweigerung der amtlichen Verteidigung beruhe auf unhaltbaren Unterstellungen hinsichtlich der Beendigung der Mandate seiner beiden früheren amtlichen Verteidiger. Insoweit wirft der Beschwerdeführer dem Appellationsgericht Willkür und Verweigerung des rechtlichen Gehörs vor. Die ihm vom Appellationsgericht zugebilligte Aktenkundigkeit reiche für die Erfassung der rechtlichen Problematik nicht aus. Selbst das Strafgericht habe die Rechtsprobleme nicht richtig erfasst, wie sich aus dem Urteil des Appellationsgerichts ergebe. Dass er gelegentlich Hilfe von Dritten erhalte, bedeute nicht, dass er auf einen amtlichen Verteidiger verzichten könne (staatsrechtliche Beschwerde Ziff. 3 und 4 S. 3 ff.).

    1. Das Appellationsgericht ist auf die vom Beschwerdeführer bereits im Appellationsverfahren erhobene Rüge der unzulässigen Verweigerung eines amtlichen Verteidigers nicht eingetreten. Zur Begründung führt es aus, es könne nach den Bestimmungen der kantonalen Strafprozessordnung auf den - beschwerdefähigen - Entscheid seines Präsidenten, durch welchen die Bestellung eines Offizialverteidigers bereits verweigert worden war, nicht zurückkommen (angefochtenes Urteil S. 3 f., E. II/1b). Das Appellationsgericht hat sodann erwogen, dass im Übrigen auch die materiellen Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung und damit die gerichtliche Bestellung eines Offizialverteidigers nicht gegeben seien (angefochtenes Urteil S. 4 f., E. II/1c).

    2. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern das Appellationsgericht durch das Nichteintreten auf die Rüge betreffend die Verweigerung der Offizialverteidigung Verfassungsrecht verletzt habe. Seine Einwände betreffen allein die ergänzenden Erwägungen, mit welchen das Appellationsgericht im Übrigen die Voraussetzungen einer amtlichen Verteidigung als nicht erfüllt erachtet hat. Diese Einwände beruhen zum einen auf einer unzulässigen appellatorischen Kritik an den tatsächlichen Feststellungen, sind zum andern nicht ausreichend substantiiert und im Übrigen unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (E. II/1 S. 2 - 5) verwiesen werden. Eine Verletzung von Verfassungsrecht ist nicht ersichtlich.

    Die Beschwerde ist demnach in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

  3. - a) Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sowohl der Präsident des als erste Instanz urteilenden Strafgerichts wie auch der Vorsitzende des Appellationsgerichts befangen gewesen seien. Zur Begründung verweist er auf einen u.a. von diesen beiden Richtern im Vorfeld von Richterwahlen im Kanton Basel-Stadt verfassten Beitrag unter der Rubrik "Zu Gast im Forum" in der "Basler Zeitung" vom 22. August 1997 mit der Überschrift "Basler Wahlen: Richteramt als politisches Amt?" (Beschwerdebeilage 17). Den darin geäusserten Ansichten hätten in der Folge mehrere andere Basler Richter in Leserbriefen in der "Basler Zeitung" widersprochen (Beschwerdebeilagen 18 und 19). Auch die beiden mitwirkenden Richter des Appellationsgerichts seien befangen gewesen, da sie in Kenntnis der Meinungsäusserung des vorsitzenden Richters geschwiegen hätten. Die Befangenheit des vorsitzenden Richters sei auch anlässlich der mündlichen Urteilsbegründung erkennbar geworden, als der Vorsitzende gleich zu Beginn einen Satz aus einem inkriminierten Zeitschriftenartikel zum Nachteil des beschuldigten Beschwerdeführers verfälscht zitiert habe, was als willkürliche Manipulation zu betrachten sei (staatsrechtliche Beschwerde Ziff. 6 S. 6 ff.).

    1. Die Äusserungen des Präsidenten des in erster Instanz urteilenden Strafgerichts im Beitrag in der "Basler Zeitung" vom 22. August 1997 (Beschwerdebeilage 17) vermögen den Vorwurf der Befangenheit offensichtlich nicht zu begründen.

      Im Übrigen verstösst es nach den zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Urteil (S. 6) gegen Treu und Glauben, einen Richter erst im Rechtsmittelverfahren abzulehnen, wenn der Ablehnungsgrund, wie hier, schon früher bekannt war. Die Behauptung des Beschwerdeführers in der staatsrechtlichen Beschwerde (S. 6 Ziff. 6.1), er habe aufgrund des Verhaltens seines damaligen amtlichen Verteidigers angenommen, dass die Befangenheit des erstinstanzlichen Richters erst in der Appellationsverhandlung vorgebracht werden müsse, ist gerade auch mit Rücksicht auf die Person des Beschwerdeführers und dessen Skepsis gegenüber Gerichten und Anwälten nicht plausibel.

    2. Die Äusserungen des Vorsitzenden des Appellationsgerichtsausschusses im Beitrag in der "Basler Zeitung" vom 22. August 1997 (Beschwerdebeilage 17) vermögen den Vorwurf der Befangenheit offensichtlich nicht zu begründen.

      Im Übrigen hat der Beschwerdeführer im Appellationsverfahren und in der Verhandlung vom 24. März 1999 nicht geltend gemacht, dass auch der Vorsitzende des Appellationsgerichts und die beiden mitwirkenden Richter befangen seien. Die Behauptung des Beschwerdeführers in der staatsrechtlichen Beschwerde (S. 7 Ziff. 6.4), er habe erst nach der Appellationsgerichtsverhandlung beim Ordnen von Akten und Zeitungsartikeln festgestellt, dass der Vorsitzende des Appellationsgerichtsausschusses Mitverfasser des fraglichen Zeitungsartikels war, ist nicht plausibel. Plausibler erscheint, dass der Beschwerdeführer gerade auch schon im Hinblick auf die Appellationsgerichtsverhandlung, an welcher er nicht durch einen Anwalt vertreten war, die Akten und Zeitungsartikel sichtete, zumal er an der Appellationsgerichtsverhandlung den Präsidenten des Strafgerichts, welches als erste Instanz geurteilt hatte, gerade auch unter Hinweis auf dessen Äusserungen im fraglichen Zeitungsartikel, der vom Vorsitzenden des Appellationsgerichts mitverfasst worden war, als befangen ablehnte.

      Es macht den Anschein, dass der Beschwerdeführer jeweils den Ausgang eines Verfahrens abwartet und die dabei mitwirkenden Richter erst dann als befangen ablehnt, wenn deren Entscheid nicht seinen Vorstellungen entspricht.

    3. Die vom Beschwerdeführer behauptete unrichtige Zitierung eines inkriminierten Satzes durch den Vorsitzenden an der Appellationsgerichtsverhandlung (staatsrechtliche Beschwerde S. 8 Ziff. 6.7 ff.) begründet nicht den Anschein der Befangenheit. Von einer "Manipulation" kann keine Rede sein. Der Satz, so wie er vom Vorsitzenden an der Verhandlung zitiert worden sein soll ("Mit der Holocaust-Hysterie verdecken die Juden die weltweiten Greueltaten der eigenen Seite"), stimmt sinngemäss mit dem Satz überein, wie er im Artikel "Landvogt Sigi Feigel und seine Knechte" tatsächlich enthalten ist ("Mit der Holocaust-Hysterie werden die weltweiten Greueltaten der eigenen Seite verdeckt"). Unter der "eigenen Seite" versteht der unbefangene Leser im Gesamtzusammenhang des Artikels die Juden. Die eigene Seite steht der anderen Seite gegenüber, d.h. den Urhebern des Holocausts, dessen Opfer vor allem die Juden waren. Der Einwand in der staatsrechtlichen Beschwerde (S. 8 Ziff. 6.7), jedermann wisse, dass die mit "Holocaust-Hysterie" bezeichnete Motiviertheit der Bevölkerung...

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